06.01.14

Probono-Coaching - das gibt es nicht.

Der Beitrag ist durch eine Überzeugung geprägt, welche sich mit den Jahren herausgebildet hat - ich könnte also sagen, an dem Beitrag habe ich fünf Jahre geschrieben. Er ist pointiert und damit nicht immer ausgewogen verfasst, er soll Gedanken anstossen. 


1. Teil: Grundsätzliches: Es gibt keine Formen von "Probono-Coaching"


Angeregt hat mich ein Beitrag im Internet:
Gegenwärtig mache ich eine Weiterbildung zum Business-Coach. Zur Ausbildung gehört es auch, mindestens 3 Coachings durchzuführen. Hierfür suche ich Interessenten, die ein Coaching-Thema haben, an dem sie arbeiten möchten. Das Coaching selbst ist kostenlos! Es sind lediglich ggf. Raumkosten zu tragen, falls hierfür ein Raum gebucht werden muss.

Ich verstehe die Ausgangslage, wo jemand seine ersten Versuche startet, um Erfahrungen und Praxis zu sammeln. Doch genau aus dem Grund, kein Geld als Gegen'LEISTUNG des Coachees zu verlangen, wird mE den Beteiligten das Wichtigste, nämlich die 'Wechselbeziehung' entzogen - die "so" gemachte "Erfahrung" wird dann zu irgendetwas, aber nicht zu einem Coaching noch zu einem Gewinn an Praxis-Erfahrung.


2. Teil: Die Situation des Coachees


Nach 200 Coachees und Aufträgen bewegte es mich immer wieder, präziser zu betrachten,
  • Was genau ist ein Coaching?
  • Was ist die Wirkung eines Coachings?
  • Welchen Beitrag bzw. welche Rolle hat der/die Coachee?
  • Was ist gegenüber Coaching 'Therapie', 'Behandlung' oder 'Training'?
  • Was ist Hilfe?
  • Was ist Durchschleppen, am Rockzipfel hängen, Tragen, Baby-Sitting und Kindergarten?
  • Was ist Selbstbefriedigung oder Co-Abhängigkeit
Das ist vielleicht die wichtigste Frage: Was weicht vom Wirken eines Coachings ab, wenn der Coachee seine Rolle verlässt bzw. die überhaupt nie korrekt eingenommen hat? Was macht aus der Sache, das es kein Coaching mehr ist?



Thema des Coachees: Zu meinen, für ein Coaching 'gefühlt' kein Geld zu haben


Meine Erfahrung zeigt, dass es unzählige Gründe gibt, warum jemand für ein vermeintliches Coaching "kein Geld aufbringt" (will ich als Annahme so ausdrücken), warum jemand also meint, für ein Coaching kein Geld zu haben. Der vielleicht trefflichste Zugang zu diesem Verhalten / Einstellung des Coachees ist seine subjektive Wahrnehmung (wie bei subjektiver Zeitwahrnehmung: es sind 30 Sekunden vergangen (objektiv) - doch das kann wie der Blitz vergangen sein oder das kann gefühlte Stunden gedauert haben).

Jetzt ist und bleibt es aber so: Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe! Coaching ist nicht besser Telefonieren zu können (das ist Training/Methoden-Skill), sondern besser Telefonieren zu WOLLEN (das ist gefühlte und gelebte Veränderung meiner Einstellung).

Für diesen inneren Wandel muss der Coachee noch VOR dem Beginn jeglichen Kontaktes mit dem Coach in sich selbst eine Bereitschaft zur Selbstveranwortung und zum Wandel, zur Veränderung bereit haben.

Und dann will er aber kein Geld dafür investieren?



Was ist zu unterscheiden?


Wer für seinen Entscheid, ein Coaching nutzen zu wollen, das Geld nicht beiseite hat - das bleibt unbewertet, kann ja einfach sein, und ist ok -, der ist für ein Coaching nicht bereit. Das ist wie in einem Unternehmen: man möchte in neue Technologien investieren (ein Coaching ist eine Investition in sich selbst, mit dem Ziel einer Wertschöpfung / Return on Invest ), hat aber das Kapital nicht dafür ... - dann ist man nicht bereit!

Man ist dann in einer VOR-PHASE! Und diese kann ein weites Spektrum an Charakteristik ausweisen:
- ich bin in Geldnot
- ich bin zu schwach aufgestellt - und muss mein Veränderungsziel auf später verschieben
- der fehlende Beitrag für meinen 'Um- bzw. Neubau' macht mich unfrei / bindet mich
- ohne Geld eine Dienstleistung annehmen, macht mich abhängig
- weil ich kein Geld habe, bestimmen Konditionen meine Veränderung

Aber genau aus diesen Konditionen will ich heraus ... jetzt ersetzen neue Konditionen (Schulden / Schuldgefühle / Ungerechtigkeit / Bettelei / einseitige Wertschätzung / etc) meine alten Konditionen, wenn es sie nicht noch verstärkt.

Und bitte: Gerade jene, welche Geld hätten, aber meinen, besonders "schlau" zu sein
- Honorare nicht bezahlen zu müssen
- Honorare zu drücken
- Honorare zu diskutieren
- Honorare als "Sommerschlussverkaufschnäpchen" zu interpretieren
- Honorare von Fremden sich bezahlen zu lassen (Stütze, Staat, Fonds, Papi-Mami, e)
- und ganz besonders in Form irgendwelcher Schliche ...

... und so zu "ihrem Coaching" zu kommen - die belügen und verschaukeln sich von solchem Ausmass, dass es an falscher Höflichkeit / Blindheit / oder gar Dummheit grenzt, wenn dann.

So auch der vermeintliche Glaube, ein PROBONO-Angebot für ein Coaching sei eine Gelegenheit, zwei Fliegen auf einmal zu schlagen - Nein, no way! Es ist dann eben nicht mehr als ein "Schäppchen", ein "Sich-reinziehen" - das hat mit einem Willen zur freien Veränderung der eigenen Individuation (siehe Wiki) nichts zu tun - unmittelbar und im selben Augenblick, wo ich nach meiner "Vergünstigung" schiele, bin ich nicht mehr bei mir, sondern eingenommen von meinem Problem (Sparen / Profitieren / Vampirismus / Not / etc.), ich bin auch nicht ready für eine Annahme, sondern in der noch spielenden und provozierenden Phase 'davor'. Ich kokettiere - das kann keine Basis für meinen Selbstauftrag sein - ausser ich möchte mir selber etwas vormachen bzw. nicht wirklich hinschauen. "Proforma-Coaching?" Ok, das mag es geben. Das ist dann aber wie es Ilse Aichinger definierte: 'Positiv Denken ist das Gegenteil von Denken'. So viel zu dem, was für einen Menschen geschieht bzw. widerfährt, wenn wer für sein Coaching den freimachenden Beitrag nicht leisten kann oder will oder wer einem Gratisangebot folgt.

Bestehen Sie darauf, für ein Coaching das Honorar bezahlen zu wollen. Je weniger der Coach bereit ist, es anzunehmen, ist dieser sich seiner Sache nicht sicher. Keine Ahnung, ob es dann noch ein Coaching wird. 


3. Teil: Blick auf den (Lehr-)Coach


Die wichtigste Qualität, welche ein Coaching in seiner Wirkung "stark/wirksam" macht, ist, dass der Coach das Verhältnis zum Kunden so gestaltet, dass dieser in höchstmöglicher Form selber stehen und gehen muss und hierfür seine Verantwortung übernimmt.

Werden Sie als Coach nicht "Stütze am Fahrrad". Bleiben Sie Vater oder Mutter, welche neben dem fahrradfahrenden Kind steht, ob es sich die Stützräder noch beibehält oder sie schon loswerden möchte. Damit verbunden sind Sachen wie:
  • Ich kann Coaching-Kunden nicht akquirieren - der Kunde muss die Initiative ergreifen
  • Ich sollte dem Kunden keine Berichte schreiben - die Reflexion ist Sache des Kunden
  • Ich sollte nicht helfen - ich soll schauen, dass sich der Kunde selber zu helfen vermag
  • Ich habe dem Kunden nichts zu schenken - ich kann bestenfalls Angebote machen
  • Ich habe den Kunden nicht zu schonen - Beschmusen gehört nicht zum Geschäft
Das klingt radikal, aber in seinen tieferen Gründen sind das Wesenszüge, die deutlich machen, dass sich der Kunde (Coachee) selber herausfordert, weil er von sich weiss und spürt und will, dass er irgendwas auch auf einem nächsten Level schafft - worin immer seine Veränderung liegen mag.

Weshalb ist es mir als Coaching-Anbieter nicht möglich, etwas als "Coaching" zu benennen, wenn ich es "kostenlos" anbiete und kein Honorar dafür verlange? Weil …

Coachee: Honorar zahlen, ist gestaltendes Moment meiner Selbstbestimmung.
Coach: Honorar erhalten, ist bildendes Moment meiner Selbstwerdung.


Jona Jakob, 2012

Ob Coach oder Coachee - für beide geht es um ihre Souveränität, - Form von Vertrauen in sich, in den anderen und in den Prozess - und um nichts Geringeres!

Herzlich

Jona Jakob

consensus-coaching.com
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