08.10.15

Seinen Dank mitteilen - vielleicht lenkt das von sich ab

Es kann nicht falsch sein, sich für ein Gespräch und intensive wie schöne Begegnung zu bedanken. Man schreibt dem Gesprächspartner, wie toll es war und wie dankbar man sei, ihm begegnet zu sein und dass das Gespräch so viel gebracht hätte.

Mich als Coach, ob das Gespräch nun bezahlt oder freundschaftlich war, arbeitsam oder reflektierend, macht es immer etwas nachdenklich, wenn mir das passiert.

Warum?

Meine Antwort mag eine "JJ-Antwort" sein und sie mag für all jene ungerecht sein, die neben den Dankesworten ihre Reflexionen erstellen und herausarbeiten. Ich möchte daher den Gedanken äussern, dass es möglich ist, dass wer sich "nur" bedankt, allenfalls den Gewinn als Kind mit dem Bad ausschüttet .

Da es möglich wäre, dass der Akt des Bedankens vom gewonnenen Weg abweichen lässt, würde er zum Verlust - so meine empfundene Denkweise in der Sache. Es wäre ein wirklich unglücklicher Verlust, wenn die Geste der Dankeszeilen die geforderte Intensität der Selbstarbeit nach dem Gespräch aufweichen und vernebeln, ja flüchtig werden lassen würde. Schliesslich orientiert sich ein kräftiges Dankeschön an mir, dem Fremden, es ist auf mich fixiert. Sie aber sollten und wollten bei sich bleiben, so die Abmachung und der Zweck des Gesprächs.

Manchmal gibt es in mir eine bestimmt unterstellende Wahrnehmung, nämlich, dass das Danken eine dankbare Form des Versteckens, Form von Selbstbetrug sein könnte. In dem ich mich überschwenglich bedanke, entschuldige ich vor mir selber, mich in den Gedanken, Reflexionen, dem Suchen nach Worten und Bildern und neuen Wegstücken, im Niederschreiben des im Gespräch Gewonnenen gerade nicht wirklich zu bemühen, so wie es der Wert MEINES ANLIEGENS (Wunsch nach Veränderung) es wert wäre.
Das "Ho-Ho!" der glücklichen Anfangsgefühle ist, so meine Meinung, kein Resultat - hierfür möchte ich auch nicht wirklich verdankt werden. So ein Abgang aus der Begegnung wäre schimär und ist als Verlust zumindest für mich mit Bedauern gepaart.  Es wäre Schaumschlägerei. Und ich bin einfach der Meinung, dass SIE SICH DAS SELBER NICHT TUN SOLLTEN. Sind Sie also kritisch mit sich, so mein Wunsch. Danken, ja, aber arbeiten Sie vor allem. Da haben Sie mich eher, als mit jedem sanften Flötenton.

Sie merken, ich tue vielleicht unrecht und die Leute beschäftigen sich mit ihren Anliegen, um die man im Gespräch und in den Stunden gerungen hat. Aber was, wenn nicht? - Mir geht es um Achtsamkeit, Sorgsamkeit, Wachheit. Und um die hohe Forderung, dem Experten, dem Coach, Trainer, Guru, Master oder sonst Juhee nicht gleich wieder höfisch zu werden - bitte bleiben Sie auf dem Level Ihrer Selbstarbeit unbewertet frei und nicht des Dankes verpflichtet, sondern viel mehr sich selbst in Ihrem Werden. Bleiben Sie. Machen Sie mir die Freude und wagen Sie es, nicht länger unter mich zu treten, wie Sie erzogen wurden. Sie hätten "so" schon nicht anrufen sollen. Ich möchte Sie um jeden Preis auf Augenhöhe.

Wenn ein Kind geboren wird, müssen schon die Monate der Schwangerschaft anstrengend sein. Und den Moment der Geburt, den kann ich mir als Mann wohl gar nicht vorstellen. Aber das A und O dieser beiden Etappen und Momente ist es, gleich danach mit aller Aufmerksamkeit weiterzumachen, das Geborene zu reinigen, wärmen, zu schützen und zu nähren. Das ist kein Hundertmeterlauf, wo nach dem erreichten Ziel ein Auslaufen stattfindet. Coaching, Gespräche, Begegnungen sind viel mehr Stabübergaben wie in einer Stafette, wo es darum geht, den Stab, die Mitgift, die Gabe und das Geborene mit höchster Achtsamkeit und vielleicht hohem Tempo weiterzubringen. Mach bloss weiter, bedanken kannst du dich, wenn du angekommen bist, aber jetzt arbeite, schreibe, fühle, denke, arbeite dich heraus, mach dich konkret. WERDE, … damnd :-)

Und so wäre es mir, ob als JJ oder als coachender Berufsmensch, als Mensch im Geiste der Individuation, ein wichtiger Gedanke, über das Danken hinaus bei der Selbstarbeit zu bleiben, bis alles fix ist und in sich ruht. Weide dich aus …. gebäre.

Wenn mir also jemand schreiben würde: "Nach deiner Bemerkung zum Aspekt Y sind in mir viele Gedanken angestossen worden, die da wären A, B, C, D, E, F und vielleicht noch M, N, und O ist auch wichtig, und eben dir schreibend merke ich, dass ich noch über 1,2,3 nachdenken möchte, auf dass ich das in Worte fassen kann. Ich will, dass dies und das entsteht und ich hierfür endlich meine Antworten, meine Sprache, meine Worte und last but not least MICH habe",  - dann wäre mir das ein wesentlich anderes Dankeschön. Kein so direktes, wie das konventional höfliche anfangs. Aber es wäre mir die Gewissheit, dass wir nicht den Moment aufgewendet haben, ohne ein konkretes Werden, um welches ich angefragt werde. Und wieder könnte ich an der Stelle unreif oder beschuldigend sein - das ist mir vollauf bewusst.

So ist mein Beitrag hier bestimmt ein von mir eingebrachter Appell, ein Aufruf: Arbeite dich heraus. Vergiss im Moment mich - und vergiss im Moment des Ausbruchs aus der Eierschale, der Komfortzone und der Box den ganzen Schmant der höflichen Konvention, sondern brich aus, punke und leg auf den Tisch, was wurde, sag uns, wie es nun heisst, welche Farben es trägt, wie es sich anfühlt und von welcher Form du es gestaltet hast.  Und dann danke Gott oder dem Kosmos.

Dann nämlich dankt es in mir dir.

Jona Jakob

consensus-coaching.com
Zürich Bern Frankfurt