19.10.17

Ich plädiere für eine Sprachregelung in Sachen 'Reifegrad als Coach'

Mein Bedürfnis: 
Nach zehn Jahren als Coach möchte ich Workshops, Weiterbildungen, Netzwerkaktivitäten und persönliche Kontakte, welche meinem beruflichen Reifegrad entsprechen. Nur so kann ich mich weiterentwickeln, kann ich zu professionellem Input gelangen.

Oder anders gesagt: Es lässt mich unbefriedigt zurück, an Anlässe zu gehen, Zeit und Geld aufzuwenden, wenn dort Lehrcoaches, Junior-Coaches, Beginner  und die grosse Zahl der "Noch-nicht-EinsteigerInnen" die Gruppe der Anwesenden ausmachen. Das mache ich gerne mit der Bereitschaft, für andere da zu sein. Sympathisch und menschlich nah ist es allemal. Aber es gibt durchaus einen grösseren beruflichen Bereich, in dem ich ungefragt und unbesprochen mit mir zu alleine zurückbleibe. Und ich finde es ok, für diese qualitativen Anliegen die Situation zu beschreiben, die Differenz von Soll und Ist auszudrücken und nach Lösungen zu suchen, den Gap wenigstens teilweise und ab und zu zu schliessen.

Aber irgendwann möchte ich auch etwas durch andere erfahren, gewinnen, quergedacht oder anders gezeigt bekommen. Das mag auf den ersten Moment arrogant klingen, ist aber ein ganz natürliches Bedürfnis und hat als Anspruch und Forderung nicht nur seine Berechtigung, sondern ist von Verbänden als "Weiter- und Fortbildung" gefordert. Also möchte ich diese haben - ganz konkret.

Situation:
Müsste für diese Situation im Berufsleben eines Senior Coaches eine Pyramide gezeichnet werden, würde diese wohl massiv breit, also mit weit offenem Winkel im unteren Bereich gezeichnet werden müssen, da die Zahl jener, die selbst ausgebildet, nie Coach werden oder den Anfang noch lange oder nicht schaffen, so massiv grösser ist, als die Zahl jener,

  • die über 10 Jahre,
  • ca. 500 Mandate bzw. ca.1500 Gespräche 
  • und damit Geld im Umfang von ca. 500'000 - 700'000.-- honoriert bekamen 
  • idealerweise auf eigene Kasse - sonst per Netzwerkagentur

.. und die sich damit über die Dauer von Jahren durchgebissen und etabliert haben. 

Unterteilungen wirken bewertend und allenfalls deklassierend. Aber wir haben auch Ausbildungsgrade, Lehrstufen, Entwicklungsgrade bei ganz üblichen Ausbildungsabschlüssen, wie z.B. FH > Bachelor > Master > Akademische universitäre Abschlüsse ... und die werden je nach Anlass und Fortsetzung für die Anmeldung gefordert. 

Wenn ich also dafür plädiere, für Coaches eine Sprachregelung zu etablieren, wo in vier Stufen der Erfahrungshintergrund erkennbar, unterscheidbar und deklarierbar wird, dann aus immanenten Gründen. 


Vorschlag für eine gestufte Deklarierung


1 - Senior Coaches m/w:
  • Mindestens 5 - 7 Jahre Berufspraxis Coaching als Schwerpunkt
  • 200 - 300 Mandate bzw. 500 - 1000 Gespräche
  • 200'000.-- und mehr Umsatz in diesen Jahren 
  • Unabhängigkeit: Selbständigkeit, Räumlichkeiten, Dokumentation, Website
  • Allenfalls entsprechende Verbandsmitgliedschaft ausgewiesen

2 - Professional Coaches m/w: 
  • Mindestens 3 -5 Jahre Berufspraxis Coaching als Schwerpunkt
  • ca. 100 Mandate bzw. 200 - 300 Gespräche
  • Gegen 100'000.-- Umsatz in diesen Jahren
  • Website, Dokumentation
  • Allenfalls entsprechende Verbandsmitgliedschaft ausgewiesen

3 - Junior Coaches m/w: 
  • 1 Jahr Berufspraxis mit ersten Mandaten / Auftragsabwicklungen
  • 10 und mehr erste Mandate bzw. 10 - 50 Gesprächstermine
  • Hierfür aus eigener Verhandlung honoriert sein 
  • Allenfalls Website oder Dokumentation oder Konzept


                              - Ich tat es!
                            - Ich will es tun
                          - Ich kann es tun
                        - Ich will es versuchen zu tun
                      - Wie mache ich es nur?
                    - Ich möchte es tun
                  - Ich kann es nicht
               - Ich würde es nicht tun wollen


4. Lehr-Coaches: 
  • Noch keine Mandate / Coachingaufträge abgewickelt
  • Keine oder kaum Mandate bzw. Gesprächstermine abgehalten, die honoriert wurden
  • Nicht-honorierte Gespräche zählen noch nicht für höhere Einstufung
  • Noch in der Ausbildung zum Coach
  • Nach der Ausbildung zum Coach, aber mit beauftragten Coachings noch unerfahren

Mir ist durchaus bekannt und geläufig, dass die grossen Berufsverbände zertifizierte Coaches längst in Stufen einteilen. Die Idee ist nicht auf meinem Misthaufen gewachsen. Wofür ich plädiere ist, dass diese Stufungen auch angewendet werden, wenn Coach-Events, Fortbildungslehrgänge, etc. angeboten werden. Dort sollte genau gleich angegeben sein, für welche Stufe Coaches der Anlass erstellt wird - oder wer an dem Anlass in erster Linie zu erwarten ist. Ich möchte aus lauter Höflichkeit und Nettigkeit keine oder eine verwässerte Transparenz haben, wer genau sich dort trifft.

Wer sich seit Jahren in der fortgeschrittenen Situation bewegt wird vermutlich mit mir einig gehen, dass einen Senior Coach ganz andere Berufsaspekte bewegen, als die Beginner. Mögen sich Lehr-Coaches und Juniors sich noch mit Methoden, eigener Profilierung, Kundengewinnung und Ängsten aller Art beschäftigen, so dass man sich übers "fleissige Lernen mehrheitlich theoretischer Inhalte" versucht zu festigen, beschäftigen Senior Coaches nicht zu selten ganz andere Themen. 

Um bei mir zu bleiben - ich würde gerne mal mit Bewanderten über Dinge reden, wie
  • das ganz persönlich gereifte Profil und seine Entwicklung in den Jahren (Häutungen)
  • Erfahrungen mit Verhandlungen / Aufträgen / Honorierungen / Preisen / etc 
  • Erfahrungen mit Haltung, Werte, Unabhängigkeit versus Marktgeschehnisse und Wandel
  • Internationale Erfahrungen aus anderen Ländern
  • Räume, Praxen, Co-Work, Hotels, etc 
  • Anflug / Abflug, Anfahrt, hin zum Kunden, der Kunde soll kommen, etc. 
  • Style, Level, Status, Anzug und Krawatte versus Polo und Pulli, etc. 
  • Gesellschaft, Entwicklungen, Veränderungen, etc.
  • Eigene Veränderungen, früher, heute, morgen, etc. 
  • Erfahrungen mit spezifischen Zielgruppen: Vorständen, Exekutives, Brainies, Cracks, etc. 
  • Erfahrungen im Bereich Defizit Coaching, etc. 
  • Erfahrungen im Bereich Erfolgs-Coaching, etc.
  • Wie geht es einem als Mann in dieser Rolle?
  • Wie geht es einem als Frau in dieser Rolle?
  • Wie geht es einem als Coach mit allen anderen Bezugsgruppen in seiner Rolle?
  • Erzieht man anders? Spricht man anders? Was prägt? Was strebt man an?
  • Wie weit mag jemand in Richtung "Körperliches" gehen, schauspielernd, theaternd, filmisch?
  • Was alles prägt die Klientel heute? Regionen, Religionen, Traditionen, Usanzen, Sprachen, ...
  • Was spielt das Akademische für eine Rolle? Hat es Gewicht? Nicht?
  • Was ist mit psychologischen Primärausbildungen?
  • Persönliche Krisen, Resilienzfaktoren, Prägungen, 
  • Konsistenz, Striktes, Härte, Klarheit, Konsequenz: Firmness
  • etc. etc.  
Und da will ich nicht nur Vorträge und aktuelle Ratgeber wie Fachbücher lesen - ich will den Kontakt, das ganz Persönliche, Erfahrene und Bewanderte wie Durchlittene anderer, gereifter und erfahrener Profis. 


Was mag ich ändern?

Ich kann etwas ändern. Ich werde zukünftig Anbieter und Eventveranstalter darauf hin ansprechen. Kriege ich keine bewusste Antwort, werde ich mich selber entscheiden, ob es mir den Besuch des Anlasses wert ist und auch mal "Nein, danke" sagen. 

Was ich ebenso ändere: Ich werde Anlässe nach dieser Klassifizierung gestalten und anbieten - und dann jemandem erklären, warum eine Teilnahme zur Zeit nicht möglich ist, wenn die Reife nicht erarbeitet ist.

Sie meinen, ich werde für die fortgeschrittenen Angebote keine Buchungen haben? Wissen Sie, wenn Sie einen einzigen Pro einladen können, ist das Gespräch zu zweit so gewinnbringend, dass ein zweiter Pro die Sache allenfalls schon verdünnen würde bzw. alle drei kämen leicht zu kurz. However, der Gewinn wäre vermutlich höher, als es ein Honorar dafür notwendig machen würde. 

Arrogant? Nein. Berechtigt und mE notwendig! Es ist bitter notwendig, zu unterscheiden und entsprechend der Grösse sich Schuhe auszusuchen, um an der eigenen Selle fortschreiten zu können. 


Und etwas im Nachtrag:
Ich bin mir in der Kunst des Coachens nicht sicher, ob Akademiker besser coachen, als vielleicht ein Autodidakt, wenn beide zehn Jahre Mandate hinter sich haben, wie ich sie für Senior Coaches oben beschreibe. Senior Coach ist Senior Coach, das ist kein Bildungs- sondern ein Entwicklungsgrad, der sich im Markt und durch das Honorar bewiesen hat und beweist. Es muss, wenn bestehend, seine Qualitäten haben. Da bleibe ich für den Formellen so offen, wie für den Freigeist. Das nährt sich dann gegenseitig. 

Und ich glaube auch nicht, dass wenn ich in der Sache offen bin, mir jemand etwas stehlen könnte. Im Gegenteil: Kann ich mich verständlich machen, mich darlegen, mich zeigen, gewinne ich. 

Damit hätte ich das für mich etabliert - die vier Stufen oben. Erzählen Sie mir also nicht, Sie wären Coach, wenn Sie zwar eine Ausbildung aber keine Mandate hatten. Und erzählen Sie mir auch nichts von Mandaten, wenn Sie nicht selber für deren Vergütung des Honorars verantwortlich waren, sondern das wer für Sie abgewickelt hat, oder Sie in Anstellung sind. Das ist, sorry, wie Duschen aber nicht nass machen. Wenn wer für Sie die Aufträge generiert, verhandelt und abwickelt, verkontakten Sie mich mit dieser Person. Danke.




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