21.02.17

Vorsicht Auftragsannahme: "Ein Coaching soll es zum Schluss noch richten."

Dieses Posting befasst sich mit Gedanken, ob ein Mensch in sich selber stabil sein kann oder nicht. Gibt es ein Fundament, auf dem die 'Coachbarkeit' gewährt wird - oder verdrängt der potentielle Coachee, dass er/sie sich da etwas vormacht?

Nicht jede Lebenssituation, in der ein Mensch sich erlebt, ist 'coachbar'. Das ist nicht meine Meinung, sondern das misst sich an ethischen Grundsätzen, die einen Coach und Coaching vom Zweck von Therapien und Therapeuten unterscheidet.

Coachbar ist, wer eine intakte Selbstbestimmungskompetenz mitbringt, eine Form von Unabhängigkeit, ganz besonders von einer inneren Stabilität, die vorhanden sein muss und die jeder Mensch nur mit sich alleine ausmachen kann.

Dieser Beitrag beleuchtet die Thematik hinsichtlich der / (meiner) Situation, Coachings anzubieten. Nicht für jeden Menschen ist dieses Angebot nutzbar - spätestens ich als Coach habe die Verantwortung, momentan nicht coachbare Menschen darauf hinzuweisen, was als Coaching ethisch korrekt angeboten werden darf und was ich abzulehnen habe. Und ja, diese Menschen haben in dem Moment noch keine neue Lösung, falls abgelehnt.


Erkennungsmerkmal I: 
"Ich bin meine Baustelle. Schon seit eh ..." - und ich habe keinen Gedanken daran, nicht mehr mein Thema zu sein, weder für andere noch für mich selbst.
  • Das geht nicht.
  • Das wird nie von Erfolg gekrönt sein.
  • Das täuscht und belügt einem selbst
  • Kein Coach sollte hierfür die Hand reichen, sonst wäre das ethisch nicht haltbar 

Erkennungsmerkmal II: 
"Ich bringe (als Problemorientierung / allenfalls als Komfortzone) gleich meine ganze Krankengeschichte mit." Gleich werden alle Therapien, Ärzte, Medikamente, Behandlungen und Selbsterfahrungen aufgezählt. Eben: was man schon alles gemacht hat - nun soll das Coaching die letzte Rettung werden. Ist menschlich verständlich, geht aber nicht und gehört sich auch nicht. Spätestens hier sagt ein professioneller Coach STOPP.


Erkennungsmerkmal III: 
"Ich bin sooo schlau, ich kann alles hinterfragen, besonders mich selber - und auch Sie, Herr Coach, vermutlich schaffe ich es auch, sie zu zermalmen und so neu zu bestätigen, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin." Ja, klar. Dann brauchen Sie sich nämlich mit fremder "Schuld"-Zuweisung nicht zu bemühen, aus Ihrer Unfassbarkeit / Unbrauchbarkeit / Instabilität herauszukommen.
Hinweis: Es entsteht dabei das Karpmansche Opfer-Täter-Dreieck.

Aber das sind die Ziele eines Coachings
  • Brauchbarkeit
  • Verwendbarkeit
  • Einsatzfähigkeit
  • Selbsterhalt
  • Berufstätigkeit
  • Einkommensfähigkeit
  • Stabilität
  • Kontinuität
  • Wachstum
  • Realisierung
  • Selbstkompetenz
  • Sozialkompetenz
  • Selbststeuerungskompetenz
 ... last but not least eine höhere Form von "Problemlosigkeit / Funktionieren". 

Mit der Drama-konzipierten Krankengeschichte erklärt jemand der Welt, dass es mit mit seiner Person "nicht geht".

Das lässt sich auch nicht coachen oder weg'coachen. Es geht nicht. Bleibt ok. Ist menschlich. Kann echt so sein, was mir auf jeden Fall leid tut. Und das muss vielleicht sonst wie betreut, geholfen, gestützt und begleitet werden. Aber nicht per Coaching. Coaching bleibt Hilfe zur Selbsthilfe, wo jemand seine Selbstverantwortung in die eigenen Hände nimmt. Bildlich gesprochen: 

Das Schiff muss schon schwimmen, 
wenn jemand neue Segel setzen will. 

Was kann erkannt werden? 


Ob für Coaches oder besonders für Coachees die Betroffen sind:

Wenn der Mensch zur Welt kommt trägt er im Normalfall ein Grundvertrauen in sich. Es ist klein und fein, aber es ruht dort wie im Babyschlaf. Dieses Urvertrauen wächst normalerweise mit dem Menschen sein Leben lang mit. Aber: es kann jederzeit aus der Ruhe geraten oder so schwer gestört werden, dass es aus seiner Verankerung ausbricht.

Das Urvertrauen ist unser inneres Fundament. Ein Fundament ist ein schwerer, passiver Sockel, auf dem gebaut werden kann. Man baut darauf Häuser, Türme, Windräder oder Maschinen. Viele Fundamente sind nicht nur Betonsockel, sondern innerlich durch Armierungseisen verwoben und elastisch eingegossen. 

Jetzt kann es sein, dass dieses Fundament bei einem Menschen in einen Zustand gerät, den ich mal 'Pudding' nenne. Das Ding ist darin nicht 'funktionstüchtig', als dass es 'weich' wurde. Es könnte auch gebrochen sein, gerissen, abgebröckelt. Aber nein, unser Fundament eines Coaching-Suchenden ist weich geworden. Es wackelt und rubbelt, schubbert.  Es gerät in ein Schwingen. Alles, was darauf gebaut wurde oder gebaut werden soll, erzeugt ein Unvertrauen in sich selbst, weil unten der Boden schwimmt. So beschreibe ich das mal. Selbst wenn das Fundament oben und im Aussen den Menschen noch zu tragen vermag, wirkt dieser auf einem:
  • fahrig
  • nervös
  • umtriebig
  • sprunghaft
  • provozierend bei gleichzeitigem Rückzug
  • im Ja-aber-Modus
  • im Ich-weiss-ich-weiss-aber-es-ändert-sich-nichts-Modus
  • etc. 
Der Grund hierfür ist aber nicht, dass man einen schlechten Tag hat. Der Grund liegt darin, dass von den aufgezählten Eigenschaften 4-6 gleichzeitig auftreten, weil diese meist gedanklich hinterlegten Reaktionen alles, aber auch wirklich alles hinterfragen und anzweifeln. Und so zweifelt ein solcher Mensch sich selber an, bis das Fundament weich wird und die Bestätigung einer Form von 'Defekt' sich ganz besonders darin bestätigt, dass nun "auch noch" das Fundament anfängt zu wackeln. 

Ich verurteile das nicht und bewerte es auch nicht. Aber ich schreibe den Beitrag, weil das von der Idee 'Coaching als Chance' nicht getragen werden kann. Nochmals: es geht nicht - kein Coaching kann in dieser Situation irgendwas "richten".

Wenn also das seelische Fundament, das Selbst- oder Urvertrauen eines Menschen durch diesen nicht stabil gehalten werden kann, ist ein Coaching - egal in welchem Themenbereich / Situation / Kontext - zwar realisier- und bezahlbar, aber es wird nicht wirken. Man kann mit dem Geld auch was Essen oder Shoppen gehen.

Denn nicht zu selten, werden a) die Inputs und b) besonders gerne die Selbsterkenntnisse - also die eigenen Gedanken - erneut in Zweifel gestellt, hinterfragt, für nicht haltbar erklärt und so dreht sich die Pudding-Wubbel-Spirale weiter. Der Absturz und Frust ist vorprogrammiert.


Wo ist eine Umkehr? Was kann ein Coach aufzeigen?:


Der Gedanke ist, den Wunsch in sich zu finden, nicht mehr sein eigenes Thema sein zu mögen. 

Jedenfalls nicht mehr das bisher 'alte' Thema. Der potentielle Coachee müsste in sich wollen, von der Baustelle abzulassen, sie nicht mehr zu thematisieren und auch aus der Baustelle keine weiteren Schlüsse mehr zu ziehen. Ein Coachee müsste sich wünschen, endlich in sich Ruhe zu haben, was mit einer Stille und irgendwie "Lahmheit" vonstatten geht. Alles wird normal. Damit wird es auch irgendwie unscheinbar, unaufgeregt und allenfalls etwas langweilig. Fertig Nervenbündel - Fertig Selbstzweifel. 

Wenn also jemand für eine Krankengeschichte "hätte", müsste dieser Mensch Kontakt aufnehmen und nur sagen: "Ich will wieder arbeiten und eine Beziehung leben können." Basta. 

Die Vorgeschichte dürfte nicht wirklich in seine neue Zukunft mit rein - die müsste, wie ein Hund, draussen bleiben - und das muss der Coachee in sich klar so halten wollen. Weil er sich sagt: Basta, ich bin stabil, ich frage mich nicht zugrunde, ich bewahre in mir Werte und Qualitäten und ich bin nicht labil sondern stabil. Auf dieser Basis will ich mit einem Coaching die Eigenschaften und Einflüsse meiner Situation und Entwicklung kennen lernen und mich noch besser aufstellen und selbst bestimmen können. Ich nehme mir meine Zeit, ich bezahle den Aufwand selber und ich baue jetzt auf. Ohne die alten Geschichten. 

Als Autor brauche ich nicht von Dingen zu schreiben, die betroffene Menschen dennoch gefangen halten. Und das will ich auch nicht. Als Fachmann bin und will ich aber davon schreiben, was in der Anlage, im Setting des Coaching bzw. des Coach-Klienten-Verhältnisses und last but not least dem Coaching-Vertrag nicht geht. Fehlt das stabile innere Fundament des Klienten, fängt das Fundament des Coachings an zu Pudding zu werden ... und das alleine schon gefährdet auch mich. Als professioneller Coach will ich das nicht. Für Sie nicht. Für mich nicht.


Was Sie mich als Coach im Vorgespräch zumindest fragen können: 


a) Bringe ich die Voraussetzungen für ein Coaching mit? 

b) Und wenn nein oder vielleicht nicht, wer oder was kann mir dann eine Begleitung, Massnahme oder Hilfe sein?

Solche Fragen und Bescheide gehören ins kostenfreie Vorgespräch. Daher: Weiterhin gerne den Kontakt aufnehmen und nach Klärung suchen. Aber sobald etwas in Ihnen den Coach als "Retter oder letzte Rettung" sieht, läuft etwas falsch ab - sie verklären dann die Situation. Nur wenn Sie sich da aussen vor behalten können, sich also nichts vormachen, sondern auf die Veränderungsfähigkeit Ihrer Selbst vertrauen können, dann können Sie auch Coachee werden. Achten Sie sich auf Ihren Modus ... 

Seien Sie herzlich willkommen

Jona Jakob