24.05.19

Bitte nie wieder - Burnout

Es ist ca. 15 Jahre her. Ich steckte mitten in 10 Jahren Eheleben, in Haus und Garten, Selbständigkeit, Erwachsenenbildung. Von meiner Unterschiedlichkeit mit einer mässigen Hochbegabung und vor allem Hochsensitivität hatte ich damals noch keine Ahnung (hat noch 10 Jahre gedauert). Ich war voll der "Dynamiker", wie die Schweizer gerne jemanden bezeichnen, der zu früh aufsteht. 

Eines morgens war es ein bleischwerer Akt, mich im Bett aufzusetzen. Ich sass da in Shirt und Unterhose und war so sehr verschwitzt, dass mir Schweisß von den wirren Haarspitzen tropfte. Aufstehen konnte ich nicht mehr. Der Zustand hielt ohne Aussicht auf ein gefühltes Ende drei Monate an. 

Hat man eine Grippe und man sagt mit dem Volksmund, sie dauert mit oder ohne Medikamente sieben Tage, so kennt man doch, dass man bereits zu sagen vermag: Es ist hinüber, langsam geht es wieder. Nicht so bei meinem Burnout. Auch im dritten Monat tägliche DUSCHNÄSSE, wollte ich mich einkleiden oder die Treppe vom ersten Stock unserer Hauses in Zürich runter in die Küche. Glücklicherweise hatten wir keine Kinder und meine Frau verdiente als Lehrerin genügend, um unser Leben abzudecken. Ich wollte sie wenigstens im Haushalt unterstützen und zog mich an, nahm eine Einkaufstasche und ging die kleine Strasse vielleicht 200 Meter weit Richtung Zentrum. Da kam ein Nachbar von hinten zu laufen und sagt: "Du bist klatschnass, dir muss der Schweiss übern Rücken in die Hosen laufen, so wie die Hosen aussehen." - Im dritten Monat noch. Umkehr. Einfach keine Ahnung, ob das je aufhören würde. 




Später beschrieb ich den Zustand vom Tag des Nicht-mehr-Gehens bis zum unvorhersehbaren Tag-wo-es-wieder-ging als eine ABKOPPLUNG MEINES KÖRPERS VON MEINEM GEHIRN. Mein Körper war wie ausgetreten um sich selber zu retten. Er versagte dem Manager, dem Macher, dem Hyperaufmerksamen den Dienst. Ich kam mir vor wie eine Elektrospielzeug, dem man aus Verzweiflung den Antrieb rausgerissen hatte, als man es nicht mehr stoppen konnte. Es leuchteten noch die Lämpchen, es machte noch "tuuutuuut" - aber sonst war es regungslos und out of order. Warum es nach drei Monaten an einem Morgen wieder ging, kann ich niemandem beantworten, auch heute nicht. Es ging einfach wieder und ich versuchte mich zu schonen. Auch hier wusste ich nicht recht, wie das gehen sollte, mich schonen, denn ich beklagte mich über keine Belastungen. Dass die Mischung von schnellem Denken (Hochbegabung) und massivem Übermass an Wahrnehmungen und Empfindungen mich vermutlich erschöpfte, konnte mir damals noch nicht erkennbar werden (Hochsensitivität ist für mich Sensibilität, die ich wie ein Instrument brauchen / nutzen kann. Ich leide also nicht unter Emissionen, wie zu viel Licht / Lärm / etc. sondern ich habe ein super Radarsystem von hoher Verlässlichkeit - mein Wahrnehmen trifft in den allermeisten Fällen zu). Zu dieser Zeit war ich auch in meiner Entwicklung nicht genug weit, endlich Teile meiner Frühverantwortung erkennen zu können und aufzugeben - ich kümmerte mich seit Kind um jeden Scheiß, für andere war ich eine Art 'Liebling' - niemand hatte etwas dagegen, dass ich so ein Bemühter und Feiner war. 

1. Chance
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Was ich glücklicherweise entwickelte: Ein Gespür dafür, dass es zurückkommen würde. Ich beschreibe das heute noch so: 
- Lustlosigkeit und irgendwie träge,
- gepaart mit LETHARGIE, für mich eine Form der Empfindungslosigkeit, 
- z.B. keinen Hunger mehr zu haben oder keinen Geschmack vom Verzehrten;
- Und ganz wichtig - in meinen Worten ausgedrückt: Ein Gefühl, als würden am 
  ganzen Körper meine Nervenenden anfangen zu glühen / kochen. 

Passiert das heute, bin ich drei bis fünf Tage weg - aber richtig weg. Da lasse ich alles Fallen. Da gebe ich möglichst keinem Sinn die Chance, sich noch einbringen zu können: Nix sehen, nix hören, nix fühlen, nix riechen, nix schmecken - nix checken.

Ich musste mir 15 Jahre später von einem Burnout-Präventionstherapeuten sagen lassen, das mehr als 50% der Menschen nach einer ersten bitteren Erfahrung wiederholt in diesen Zustand geraten, als würden sie nie etwas daraus lernen, selbst wenn die Anzeichen der negativen Spirale noch so eindeutig wieder auftreten würden. - Das konnte ich bis heute verhindern. Bitte nie wieder. 

2. Heilung
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Warum "Nie wieder!"? 
Bei all meinen Erkrankungen, die ich mit einem Normalmaß beschreiben würde, nenne ich den Burnout als den größten Schaden (Super-GAU) für meinen Körper. Wenn sich der Körper vom Denken abkoppelt, um sich zu retten, dann ist das eine Mega-Katastrophe, so schlimm, als würden Sie sich de-personalisieren, weil Sie unter dem Schmerz von Folter oder dem Schock wie bei einem Flugzeugabsturz befinden würden. Heftiger geht es nicht mehr. Einen Schritt weiter sind Sie tot, würde ich sagen ... oder gänzlich dem Wahn verfallen. 

War denn nun nach den drei Monaten alles wieder gut? Nein. Meine Erschöpfung dauerte - und das möchte ich nun noch deutlich machen - 

Phase 1: ... für mich klang die Erschöpfung über 9 Monate ab, nach einem Jahr war eigentlich nichts mehr wahrzunehmen, jedenfalls nicht fürs Umfeld, meine Partnerin, die Auftraggeber, etc. Ich funzte wieder vollumfänglich und normal. 

Phase 2: ... doch ich, ich sage Ihnen, dass ich unter all dem heilen Schein gegen vier Jahre brauchte, weg von dem Schaden zu sein. Von Beginn bis weg: 5 Jahre insgesamt. 

Burnout - das will ich nie wieder haben. Basta. 

Als neulich meine Partnerin Anzeichen zeigte, zwang ich sie (ZWANG) aus dem Hauptoffice Ihres Unternehmens ins Auto, es muss 09:3 Uhr an einem Vormittag gewesen sein, und schickte sie für eine Woche fort, was sie, ich bin ihr noch so dankbar, wirklich getan hat. Ich wusste die ersten drei Tage nicht einmal, wo sie steckte - kein Signal. Nichts. Dann der erlösende Anruf. 

Dem Monster und Dämon Burnout Paroli bieten - ist wie gegen die Strömung einer Tiede anzuschwimmen. Ich wünsche mir, dass Ihnen das nie widerfährt. Denn wenn diese Form einen Menschen stärker erwischt ... ich verlor einen Freund, da nicht mehr erreichbar, in seiner Erschöpfungsdepression. Der weltberühmte Jazz-Pianist und Solist Keith Jarrett durfte keine seiner erschöpfenden Solo-Improvisationskonzerte mehr geben, Platten wie das berühmte 'Köln Concert'. Seine Erschöpfungsdepression dauerte sechs Jahre an, bis es eine neue Aufnahme gab. 

Hierzu ein prima Artikel, den ich dank eines Kontaktes über Facebook verlinkt bekam:  https://www.spektrum.de/wissen/burnout-wird-seit-40-jahren-erforscht-und-noch-immer-ist-die-definition-unklar/1646926

Und ja, Burnout ist mE nichts, was man "coachen" sollte. Vielmehr ist es meist ein Moment, jemanden frank zum Arzt und in der Folge zum Therapeuten zu schicken. 

Man kann sich achten ...
Jona Jakob, Aschaffenburg
humannessCoach.de
entrepreneursCoach.de
hochbegabtenCoach.de


12.05.19

Sich konsistieren - Personzentrierte Systemtheorie (nach Kriz)

Es mag verschiedene Gründe geben, warum man sich als Coach immer wieder "prüfen" oder "checken" sollte. Damit meine ich diesmal weniger eine Hygieneprüfung z.B. zum eigenen Verhalten oder Erscheinen.

Ich meine mehr, achtsam für innere Regungen zu sein, wenn einem zum Thema Coaching etwas widerstrebt oder umgekehr: gerne zugeht. Ich kann das nur am eigenen Beispiel aufzeigen, weil gerade in diesen Tagen mir so etwas geschehen ist.

Man kann mich als 57-jährigen Menschen beruflich ganz einfach strukturieren:

Die kräftige Hand:
- Ich bin gewerblich ausgebildet, habe lange körperlich gearbeitet.

Der kühle Kopf:
- Dann war ich viele Jahre Marketingmanager. Unternehmer bin ich heute noch.

Das warme Herz:
- Ich wurde Dozent, Personzentrierter Gesprächsberater, Coach.

Alle drei Lebensarbeitszeiten machen mich aus. Sie prägen mich in ihrer Art und Weise, im Denken, Entscheiden und Handeln.

Wenn man mich nun heute fragt, was ich berufliche mache, und ich mit 'Coach' antworte, legt mich das gefühlt nicht wirklich fest. Mich nicht. Die Fragenden vermutlich schon, da es einfacher ist, mit 1 Wort eine subjektive Vorstellung zu bilden.

Über die Jahre kam unter Coaches immer wieder die Frage auf: 'Woran erkenne ich einen guten Coach?'

  • Meine Lieblingsantwort:
    Daran, dass er sich vom Coachen mind. 3-5 Jahre lang wirtschaftlich am Markt halten konnte. - Eine 'Unternehmer-Antwort', aber Marktberechtigung bleibt Marktberechtigung. 
  • Eine Antwort von einer weisen Kollegin war:
    Ob sie oder er vor der Ausbildung zum Coach eine 'Psychologische Primärausbildung' absolviert hat. Damit sind 3-8 Jahre Vorbildung gemeint, z.B. als Personzentrierter GesprächsberaterIn, als TransaktionsanalystIn, in Individualpsychologie, etc. Eine humanistische Grundlage ist der Gedanke dazu. Nicht nur Business und Organisationslehre. Für mich eine starke Antwort. 
  • Und es gab noch viele weitere Ansätze
    -
    Fort- und Weiterbildung
    - Anciennität
    - Bekanntheitsgrad
    - Verbandszertifizierung
    - Auszeichnungen
    - Klientel und Referenzen
    - tbc. 
Das jüngste Beispiel, wo meine Coachkarriere - und damit meine Coach-Konzeption - auf ein einziges Kriterium festgelegt wurde (bisher; das kann sich noch änder): Ich wurde in eine Coach-Datenbank aufgenommen mit dem Expertenlevel 2 von 5. Dies, weil nur die eine Ausbildung von vor zwei Jahren berücksichtigt wird. Das kann bei schier 15 Jahren coachender Tätigkeit keine Aussage zu mir als Coach sein - das ist eine Aussage zur Qualifizierung nach dem Anspruch eines Verbandes.


Die glückliche Fügung: eine fühlbare Konsistierung


In diesen Tagen gibt mir ein Fachbeitrag in einem Coachingmagazin eine Grundlage, besonders die Primärausbildung zum Gesprächsberater (persönlich: ca. 4-5 Jahre) mit meinen Gewerbejahren, den Managementjahren und last but not least meiner Coachingpraxis, wie auch der Coachingausbildung zum Systemisch-Integralen Personal- und Businesscoach zu verbinden und mich damit ganzheitlich zu machen. Endlich habe ich eine Begrifflichkeit, wie ich als Coach aufgestellt bin und wirke. 



Die Personzentrierte Systemtheorie, nach Prof. Jürgen Kriz, Osnabrück


Seine Systemtheorie ist sozusagen eine Meta-Konzeption verschiedener Theorien und Prägungen. Es kommen hier zusammen:

  1. Die psychischen Prozesse
  2. Interpersonelle Prozesse
  3. Kulturelle Prozesse
  4. Körperliche Prozesse

Diese Konzeption gestattet mir unmittelbar, mich besser wiederzuerkennen und zu sagen: Ja, das bin ich - mit diesem Verständnis arbeite ich seit Jahren unbewusst. Ich trennte nicht das Psychisch-Seelische vom Systemischen und der Körper war in all den Coachings immer bewusst dabei. Ich sehe und verstehe meine Klientinnen und Klienten "so". 

Wenn mich heute jemand fragt, WIE ich arbeite, habe ich eine Antwort: "personzentriert-systemisch". Diese neue Möglichkeit ist für mich wie eine Wohltat, ein gutes Gefühl, welches mich stärkt. Hier meinen lieben Dank an Prof. Jürgen Kriz.

Ich freue mich, heute noch Mitglied der GwG (Regiogruppe Hessen) zu sein, mein Verband für den Personzentrierten Ansatz. Und ich bin Coach gemäss dem DBVC. Ich bin das beides jedoch nicht getrennt, ich bin es als Konsitierung meines Lebens. 


Was will ich mit diesem Beitrag außer meinem persönlichen Effort sagen?


Wann immer Sie die Chance haben, etwas in sich zu vereinen, was zu Ihnen passt, was Sie ausmacht, was Sie stärkt und verdeutlicht, pflegen Sie das transparent und erfassbar in Ihren Auftritt mit ein. Schreiben Sie eine einzelne Website dazu an Ihre Homepage, schreiben Sie einen Blogbeitrag, verfassen Sie sich mit dem neuen Element. Werden Sie weiterhin ...

Mit besten Grüßen
Jona Jakob, Aschaffenburg