23.02.19

WEN coachst du? Versuch einer Antwort.

Nicht zuletzt diese Woche fragten mich zwei Eventteilnehmerinnen:

"Du bist Coach?"
"Ja."
"Wen coachst du?"
"Menschen."

... danach geriet ich in stottrige Erklärungen und das machte mich unzufrieden. Also versuche ich, dem Anliegen hier eine stimmige Antwort zu geben. Auch nicht zuletzt, um den beiden Fragenden eine Antwort zu geben, die das Menschsein fördert, nicht einen blendenden Status.

(Coachingprozesse, stets eine VERÄNDERUNG aufgrund von eigener REFLEXION, finden nur dann statt, wenn man mit sich selber um seine Reflexion ringt / kämpft / sucht / findet / strukturiert / formuliert) - mit dem Kopf nicken wird wenig Veränderung schaffen oder in einem hinterlassen. Veränderung ist mehr als Hinterlassenschaft, es ist mE Etablierung, als würde Neuland gewonnen.  It's up to you - anders geht es nicht.)

Zur Ausgangsfrage: WEN coachst du?
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WEN ich coache, hat kaum einen Aussagekraft. Bestimmt könnte man antworten: Private, Angestellte m,w,d, Mitarbeitende, Führungskräfte, Executives, Top-Dogs. Aber was sagt das wirklich? Es sind Menschen. Sie haben alle Gefühle, Bedürfnisse, Schwächen, Ängste und Träume wie Wünsche, Hoffnung, etc. - jeder Mensch für sich hat einfach seine ganz eigene Situation zum jeweiligen Zeitpunkt und möchte dann ein Ziel erreichen. Ziele sind ganz was Persönliches.

raumfuergespraeche.de - Aschaffenburg
humanness-coaching.de - Jona Jakob

In mir sträubte sich im Moment der Frage etwas, mit "Wertmaßen" von Aussagen die Idee von Coaching zu unterlegen: also zu sagen: Ich coache Selbstzahlende, Hochbegabte, meist sehr kluge Köpfe auf Top-Job-Level, die letzten Klientinnen und Klienten verdienten nicht unter 100´000.- Euros im Jahr, blablablubb ... - ich fühlte mich in dem Moment beschämt, mich mit deren Federn zu schmücken. Ich stammelte zwar noch was Hilfloses, in mir wollte ich das jedoch nicht.

Mir widerstrebt das massiv. Man tütet die eigene Klientel dabei gleich ein. So meine Meinung. Wenn ich sowas von anderen Coaches höre, denke ich immer, was ein Schwätzer, gleich die eigenen Vertrauenspersonen an nichtssagenden Äußerlichkeiten und am Geld zu nutzen, um sich selber zu positionieren.

Als ich antwortete: "Menschen", sah ich in zwei stehende Gesichter.

Man könnte schon den Eindruck gewinnen, Menschen als 'Menschen' zu bezeichnen, stelle "zu wenig" dar. Das hat "so" kaum Ausdruckskraft, wie es mir schien. Was soll "man sich" unter dem Begriff 'Menschen' vorstellen?

Dabei ist es der höchste Begriff. Wenn einem an Coaching etwas liegt, wenn man wirklich eine Haltung in der Sache verinnerlicht, bleibt nur das Wort 'Mensch / Menschen'.

(Ich mochte mich in diesem Moment, wo ich über meine Antwort nicht hinaus kam. Ein komplett gescheiterter Elevator-Pitch. Aber eben, wie schrecklich ist es, mit Statusaussagen meiner Klienten einen Leistungsausweis zu benennen? Meine nach Außen "versagend" wirkende Beklemmung ... schöne Reaktion dessen, was ich in mir als Verständnis trage.)

Jetzt lag ja in der Frage ein Ansinnen nach "Vorstellungsmöglichkeit / Orientierung / Einschätzung / Zuordnung / ... nach mehr Sicherheit, gemäß Maslow.

Und das ist wohl das grösste Anliegen aller, die nach Coaching und einem Coach fragen: Was soll das sein? Was wird da gemacht? Wozu soll es gut sein? Etc. Die fehlende Orientierung ist mE immer noch an allen Ecken und Enden auszumachen. Selbst Teilnehmende in Coachingausbildungen haben größte Schwierigkeiten, eine coachende Haltung in ihr mitgebrachtes Weltbild zu integrieren, manche schaffen es gar nie oder gehen, dem philosophischen Höhlengleichnis gleich, wieder ins Schattenspiel der Höhle zurück, weil es am Licht zu grell ist.

Was verändert die Frage? Was gibt dem Anliegen mehr Antwort und Ausdruck?
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Schritt 1:
Man könnte fragen, WAS coachst du?
Und dann entstünden Antworten, die sich mit all den Problemen von Menschen beschäftigen würden, ob als Seele oder als Mitarbeitende, als Karrieristen oder Optimierende, etc. etc.

Doch auch diese Antworten würden einer fragenden Person mE nicht viel bringen, außer vielleicht, man würde die antwortende Coach-Person als "Experten für erfolgreiche Methoden und Skills hierarchisch über den Klienten einordnen. Ein weit verbreiteter Missstand, so meine Meinung. Einfache Antworten bedienen hier einzig einfache Denkweisen - außer Bequemlichkeit bringt das nichts.

Schritt 2:
Fragen Sie idealerweise WOFÜR coachst du?
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Coaching ist dazu da, den betreffenden Menschen (Coachee / Klientin, Klient) SEINE WOFÜRS zu ent'decken, fühlen und bedürfen zu lassen, welche in ihm damit eine Stimme bilden, die in ihm JA sagen mag, um dann Strategien und Massnahmen zu entwickeln, wie die Person das erreichen kann, was verändert werden möchte. 

Vielleicht hätte ich auf die Frage: "WEN coachst du?" antworten sollen:

Menschen + deren Seinsgründe, Reason-whys, raison-d'êtres. 

Dann wird das Wertmäßige im Wort 'Menschen' deutlich bzw. spürbar. Die beiden Teilnehmenden hätte sofort gespürt: Es wäre vermutlich schön, das ganz Eigene in den Fokus zu nehmen, egal wer man ist und was man mitbringen würde. Man könnte kommen, wie man ist. Und hätte für sich einen ganz persönlichen Gewinn.

Spürbar, damit meine ich, man fühlt / spürt im Bauch (s)ein Verstehen, man muss es noch gar nicht denkend verstanden haben.

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Mit dieser Antwort ist man als Coach auch raus aus allem, was nach direktiver Profilierungsstrategie aussehen würde. Es würde sichtbar machen, dass man dem Humanismus zugewandt ist - und nicht dem pragmatischen Verkaufen. Dem Nicht-Direktiven anstatt dem Direktiven, was fern jeder Coachingdefinition liegt.

So kann nun kommen wer mag, ganz ohne Titel, Rang, Auftraggeber und Namen. Nur mit sich, ob arbeitslos oder Top-Management, ob Privatperson oder Job-Funktionär. Es kommen immer "nur Sie".

Und ich, ich kann nun das nächste Mal eine klare Antwort geben. :-)

Danke für die Gelegenheit. :-)

Jona Jakob

... den beiden Fragenden gewidmet. Es war ein schöner Moment vollen Seins.

17.02.19

Das Selbst verwirklicht ... (Reflexion)

Man sagt zum Tod, jemand wäre nie so ganz gegangen.

So könnte zum Leben gesagt sein, man erreiche seine Sache auch nie so ganz. Dennoch meine ich, man sollte dem Erreichten gebührend Platz schenken, es im Leben in den Vordergrund stellen und selbst'bewusst leben.

Seit Wochen beobachte ich mein Sein und Tun und muss sagen, was ich verrichte, arbeite, etabliere ... und auch - last but not least - was ich alles lasse, also nicht mehr tue, das subsumiere ich unter meinem Fühlen und Verstehen von 'Selbstverwirklichung' in der Maslowschen Pyramide der Grundbedürfnisse.

JJ im Kunstwerk 'Trinkhalle' von Martin Abb, Aschaffenburg, 2017.

Ich bin 56, arbeite noch 10 oder 15 Jahre, lebe mit meiner Liebsten in einer tollen Wohnung und habe Aufgaben zu erfüllen, die man getrost mit "dem Schleck" aller Arbeiten bezeichnen darf, denn ich darf so richtig und wirklich 'Dürfen'.

Coach zu sein ist schon so eine Erfüllung. Und seit einigen Monaten bin ich beauftragt, aus der Position einer Geschäftsstelle nach innen und außen Dinge zu realisieren, für die Bedarf besteht. Ich darf dabei netzwerken, Gespräche führen, ordentlich zu Tisch sitzen und bereise mein Bermuda-Dreieck zwischen Frankfurt, München und Zürich.

Abgesehen davon, dass ich arbeitend meinen Lebenserhalt damit verdienen kann, Dinge zu tun, die einen Sinn ergeben und meine ganze Person sowohl einladen als auch fordern, fallen dabei unzählige sättigende Gespräche ab, Handshakes, Verständnis. Das geht nicht ohne storming und norming, es reibt sich das Ganze immer wieder, nervt auch, aber das macht es auch tiefer und fetter.
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Man könnte mit der Selbstverwirklichung den Gedanken verbinden, man sei wer geworden. Vielleicht ein Star, ein Super-Coach, ein Businessleader oder Autor - eine Erfolgreiche bzw. ein Erfolgreicher. Dies ist aber nicht mein Bild von der Selbstverwirklichung.

Mein Bild fängt da an, wo ich mit ca. 45 Jahren erkennen musste, gar kein Alpha-Typ zu sein, obwohl ich und viele andere mir das zuschrieben und heute noch zuschreiben. Ich wirke im Außen so alpha. Aber in Wahrheit bin ich ein Alpha-Beta und damit ein Beta. Ein gehöriger, das mag sein, aber ein Beta. Die Frage hierzu lautet: Bin ich König oder Königmacher? Und ich war mein Leben lang, schon als junger Bub, ein Königmacher. Dieser Faden zieht sich durch mein Leben, der ist unterdessen ein Tau geworden, nicht ganz billig und anstrengend bis herausfordernd alleweil noch. Denn auch als Königmacher bin ich (erneut) ein Macher.

In meiner als Kind angelegten Persönlichkeit bin ich "gebaut", Dinge zu BILDEN. Menschen, Projekte, Produkte, Dienstleistungen, Lehreinheiten, Persönlichkeitsentwicklungen, etc. etc. etc. - mein zentrales Können liegt darin, Kompetenzen, fachlich-, menschlich- und auch mental so zu vereinbaren, so dass sich etwas BILDET. Es wird. Es gedeiht. Entsteht. Kommt voran.

Wenn ich beschreibe, meine Selbstverwirklichung erlangt zu haben und darin wirksam sein zu dürfen, dann meine ich damit, mit Gedanken, Wünschen, Bedürfnissen, Menschen und Dingen mich auseinandersetzen zu können, aus denen/dem etwas werden soll. Wenn das mal schlicht nicht "leider geil" ist?
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Diesen Beitrag verfasse ich nicht um zu bluffen oder mich sonst wie hervorzustellen. Der Beitrag sagt schlicht danke, es freut mich riesig. Denn bei allem Erfolg liege ich auf den letzten 20 cm des 1-Meter-Messstabes. Meine Gesundheit ist ganz leicht aber konkret angeschlagen und die Erfahrung, an einem Tag vor einem Jahr nicht gleich gestorben zu sein, sensibilisiert mich in der Frage. Ich bin ganz klar endlich, was also habe ich in dieser Welt getan, geleistet, erreicht, was ist der Mich-Anteil, die JJ-Note an meinen Geschichten? Habe ich eine und wenn ja, welche soll das sein, so dass ich das von mir selber äußern mag?

Etwas in Bewegung und Entwicklung zu bringen ist vielleicht mein Funksignal in allem Getöse, meine Duftnote. Und ganz eindeutig: Diverses Scheitern waren wichtige Lernschritte. Ich scheiterte unzählige Male, bis hin zu ganz bitter und böse. Das zählt aber nicht. Was zählt ist, dass ich noch im Spiel bin - immer noch. Manchmal erstaunt mich das selber :-)
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Ein zufälliger Umstand lies es letzte Woche dazu kommen, dass ich seit wenigen Tagen den Existenzialismus erklären kann. Einfach so. Ich hab es drauf. Cool. Damit ordnet sich der Humanismus endlich wo ein und wer noch an Gott glaubt, auch mit diesem "Schachzug" weiß ich nun mehr anzufangen. Ich kann der unbeantworteten Frage nach dem Sinn des Lebens, die wegen des 'Absurden' (Camus) niemals eine Antwort erhalten wird, eine Antwort geben, wozu es gut ist, keine Antwort zu finden. Boah, Leute, das macht mich seit einigen Tagen ein gutes Stück vollständiger, ob rückblickend in meinen damals nicht beantworteten Anliegen und Entscheiden, wie in meiner heutigen Haltung, in der ich mich richtig angelegt fühle.

Die Frage, gerade als Coach, ist nämlich: Worauf fußen Sie?

Und ich kann für mein Wesen hierzu eine klare Antwort geben. Das verwirklicht mich enorm. Dazu passt es zu all dem, was ich anstrebe, packe, begleite, verfolge, anstoße oder zumindest mit der Frage ins Auge fasse: Was bewegt?

Ankommen, wo man sich selber spürt, ist wie wenn ein ewig leeres Hungergefühl plötzlich weg ist. Wenn ich das nun bis zum Ableben für mich erhalten kann, Form meiner 'Gartenpflege', dann werden das sehr tolle Jahre. Und wäre ich halt morgen fort, ich wäre heute noch angekommen, Heidegger erfüllt mit seinem Satz vom 'Sein zum Tode' - ich BIN oder WAR dann mal. Das fühlt sich vielleicht gut an, ich sags euch ...

Und Sie, was würden Sie von sich sagen mögen? SIND Sie? Oder eher kaum?

jonajakob.com

Eben: John Coltrane - I'm old fashioned / .. und Abdullah Ibrahim (Dollar Brand) mit 'Chisa'.