13.07.20

Wie das 'Warum?' besser zu erfüllen ist, wenn es ein 'Wofür?' gibt.

Das Leben und Umstände schaffen mir gerade eine länger dauernde Situation, in der ich nicht wirklich das verfolge, was ich "eigentlich" gerne tun würde. Ich gehe einem Ziel nach, so dass ich nicht jenem Ziel folge, dem ich gerne folgen würde. 

Wofür es in mir brennt: 
Ich möchte einfach ein gut präsenter Coach sein. Da sein für andere, ohne mich groß einzumischen. Da ich gerne nicht-direktiv begleite, ist die Beziehung wichtiger, als die Methode. Hierfür möchte ich an meinen Arbeitstagen bereit sein - ich kann das. 

Acryl auf Plexi / Privat JJ


Was seit Jahren alles mich davon abbringt: 
Bestimmt waren die 5-6 Jahre Wandel von der Schweiz nach Deutschland eine Zeit, in der viel Unruhe mir mein Streben durcheinanderbrachten. Als ich im Raum Frankfurt erste Kunden begleiten durfte und ich ein ausgebackenes Konzept für Persönlichkeitsentwicklung auf den Beinen hatte, zogen wir nach Aschaffenburg. Das hat schier drei Jahre gebraucht, als würde man mich "umbaumen", wo entwurzeln und wo wieder in die Erde stecken. Die Frankfurter verstanden es nicht, die Aschaffenburger verstanden es nicht und ich hatte andere Gründe, die fern meinem Inneren lagen, zu denen ich aber stand. Nun, nach ersten Beruhigungen im Raum Aschaffenburg (Bayern), bedingt das Leben in diesem Jahr, dass ich nicht meine Sache mache, sondern zur Zeit das Unternehmen leite, welches meiner Liebsten gehört. 

Meine Warums sind:
  • aus Liebe für meine Liebste
  • aus Sicherheit fürs Unternehmen
  • aus Verantwortung für die Mitarbeitenden und Gläubiger
  • aus einer alten Haltung heraus, dass das Schiff nicht zu sinken hat
  • ich mag mich selber nicht verraten, wie sonst will ich Coach sein?
Ich agiere zur Zeit als Turnarounder, als Sanierer. Und egal wie groß das Unternehmen ist, die Planung, Entscheide, Aufgaben und Kontrollen sind so hart und bitter, wie bei einem großen Unternehmen. Und bin ich nicht tough genug, straft mich in der Regel jede Laxheit. Zuletzt möchte ich für alles und alle das Beste, aber das gelingt nicht immer - dieser Spagat ist zu erbringen und auszuhalten, weglaufen ist nicht. 

Wo ist nun plötzlich der Coach in mir?
Der musste weichen. Ich bin zur Zeit ein direktiver Manager, interim, wie man so schön sagt. Das Ziel des Intermin Managements ist die Sicherstellung der Unternehmung. Das Unternehmen first. 

Auf diese Weise zu agieren und zu handeln, kann ich. Ich mochte das vor 20 Jahren nicht mehr an mir und wollte aus dieser "Rolle" des Managers austreten. 20 Jahre habe ich nun versucht, ein Coach zu werden. Und nun spielt mich das Leben wie beim 'Leiterli-Spiel' zurück auf Position 1. Innerlich taten sich erst einmal auch Abgründe auf, die mich verunsicherten. 

Ich lehnte alle Coachinganfragen ab. In dem Zustand, in dem ich zur Zeit arbeite, bin ich für Kunden nicht in der notwendigen Qualität präsent. Ich kann bei meinen Aufgaben im Moment kein Verständnis dafür haben, dass z.B. jemand noch Zeit braucht. Also - für Coachings geht das nicht. Eines Abends jedoch sass ich da und mir schwappte durchs Gehirn jene Coachingfrage, die mir nicht zu selten ziemlich auf den Nerv ging: "Was will es dir sagen? Was will es dir zeigen?" 

Was will es dir sagen bzw. zeigen? Was ist die Learning Lesson an dem Schicksalsschlag?
Wenn ich es als "Prüfung" betrachte, dann lautet die Antwort: Damit du danach ein noch besserer Coach sein wirst. Ich manage zur Zeit. Aber ich muss mich selber coachen. Ich muss mich motivieren, immer wieder klären, oft das Ethische reflektieren, Konsequenzen ertragen oder erleiden lassen und sehen, dass ich zu Veränderungen und zu Resultaten gelange. Ich pflege meine Frau, hüte den Hund und unterhalte die Haushaltung. Getting things done. 

Nicht selten bin ich wütend, dann verzweifelt, dann kriege ich Angst, richtig Angst. Zweifel ist ein fürchterliches Gift der Lähmung. Toxische Beziehungen sind eine ekelhafte Last. Ich muss beichten, gestehen, transparent machen und verhandlungsfähig sein. Ich muss für andere Sicherheit und Klarheit schaffen, etwas, worauf sie sich verlassen können. Dauernd gibt es Aenderungen, Einschnitte, teilweise auch Knüppel zwischen die Beine. Das Bad an Gefühlen ist pro Woche kaum auszudenken, nicht zuletzt bringe ich meine Frau zu Aerzten und höre mir deren Worte an, die eher Wolken als einen Boden schaffen. 

Wenn Sie mich öfters lesen wissen Sie vielleicht, ich habe es gern mit dem Segeln. Wissen Sie, warum Schiffe zu gerne mal nicht wirklich gut laufen? Weil der Kiel nicht stimmt. Es kann auf einem Schiff so viel nicht stimmen, kaum einer denkt an die Funktion, Form, Gewicht und Wirkung des Kiels. Ein nicht wirklich gemitteter Kiel verzieht das ganze Boot. Und meine coachende Wirkung - auch als Manager - ist die, mich als Kiel mehr zu mitten und mehr zu mitten. Ich muss stimmen, sonst passt es fürs Ganze nicht. 

Wie das 'Warum?' besser zu erfüllen ist, wenn es ein 'Wofür?' gibt: 
Seit es durch die obige Frage eine Antwort gibt - nämlich ein besserer Coach zu werden - trage ich das Paket an Aufgaben leichter. Ich mag wieder. Ich bin sogar etwas stolz darauf. Vieles ist schon erreicht und die Signale zurück sind durchwegs positiv. Mehr konnte ich auch für meine Liebste nicht tun. Und egal was kommt und kommen mag, es wird mich in seiner Form, mich erst einmal zu absorbieren, zu einem reifer gewachsenen Menschen machen. Das kann dann gerne anderen Menschen in der coachenden Art und Weise zugute kommen. Bestimmt ist es mir nicht mehr zu nehmen. 

Wenn mich also nun jemand fragen würde: "Warum machst du das alles?", dann antworte ich: 
"Es gibt viele Warums und Darums, wozu ich das alles mache - die Kraft dafür schöpfe ich jedoch aus dem 'Wofür?'. Einer meiner vormaligen Trainer sagte mal: "Therefore, I'm here with you." - Da ist sie wieder, die Beziehung - und all das, was in mir brennt. Diese Woche kommt auch jemand zum Vorgespräch und ich mag zuhören. 

Coachinggedanken: 
  • Wie leicht können Sie begründen, warum Sie etwas tun?
  • Wie sehr sind diese Gründe sozusagen "argumentativ rationalisiert", z.B. "vernünftig"?
  • Ist Ihnen das "Wofür?" dahinter auch bewusst? Können Sie es benennen?
  • Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie ein 'Wofür?' hätten? .. eines in sich finden würden?
  • Wofür brennt es in Ihnen?

09.07.20

Andere Böden - andere Bedürfnisse

  • Ich bin als Coach nach 50 Jahren aus der Schweiz ausgezogen. 
  • In den selben 15 Jahren des Wechsels zog ich nach Hamburg, Frankfurt, Aschaffenburg.
  • Heute noch arbeite ich auf beiden Böden: in der Schweiz und in Deutschland. 
  • Corona hat mich spüren lassen, wie gefangen ich mit "nur Bayern" war. 
  • Die Gefangenschaft ließ mich nach neuem Wasteland suchen, als Bedürfnis. 

Bild: Privat JJ 2019. 

Ich wählte:
  • Antwerpen/Gent/Ostende
  • Frankfurt an der Oder / Polen und
  • Prag

... das sind meine neuen Spots, wo mich niemand kennt und ich nichts kenne.

In solchen Regionen habe ich von nichts Ahnung. Und niemand kennt mich. Niemand wüsste, wo ich gerade wäre, wenn ich einen Herzinfarkt bekäme, so auf der Terrasse eines McDonalds ausserhalb von Irgendwo. Mond, Terra Incognita, weg.

Als aktiver Coach würde ich heute unterscheiden:
- Die Region, welche meine Homebase ist, wie nun zB Rhein-Main oder ZH.
- Die Regionen, in welchen ich auch arbeiten könnte, wie Basel, Fribourg, Bern, Thun
- Die Regionen, welche ich aus alter Sentimentalität noch kenne und meiner Liebsten zeigen mag.
- Und meine Keine-Ahnung-Territorien des Wegseins ohne Adresse.

Außerdem, würde ich nicht in meiner schönsten Liebe leben, die ich je erfahren habe, so würde ich hier in Rhein-Main mein Zeug günstig einmieten, warm und verwendbar ... und würde nochmal in Frankreich anfangen oder in Polen. Die 10 Jahre Wechsel von Zürich nach Aschaffenburg sind als Lebenserfahrung unbezahlbar und unvorstellbar reich und vitalisierend. Frankreich würde ich wählen, weil ich Französisch kann und mich das Zentralistische, das Adlige (Blaublütige), die Philosophie und die Seglerei interessieren. Nach Polen würde ich ziehen, weil ich nicht glauben kann und weil ich kein Wort könnte. Beides zusammen verlangt dann ein Höchstmass an Präsenz meinerseits - das, was ich Leben nenne.

Und Sie, gehen Sie auch mal raus? Und wenn ja, wohin? Wie  weit? Wie lange? Wie weit?


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