15.10.13

Eine Coachingausbildung ist keine Kompetenz.

Eine Coachingausbildung ist keine Kompetenz. Wäre dem so, könnten Sie gleich zum Coatch-the-Coach übergehen - dann hätten Sie eine Kompetenz in 'Coachingausbildung'. Wenn Sie also einen Abschluss in der Tasche haben, müssen Sie Ihre Kompetenzfelder bei Ihnen selber ausmachen und in diesen dann Menschen mit Hilfe zur Selbsthilfe (Coaching) begleiten.

Die meisten Ausbildungsabschlüsse haben Sie in eine berufliche oder fürs Leben taugliche Fähigkeit entlassen. Haben Sie als Koch, Verkäuferin, Marketingfachfrau oder Techn. Kaufmann abgeschlossen, konnten Sie damit losziehen und diese Arbeit angestellt oder auf eigene Rechnung verrichten. Faktisch gesehen können Sie beim Coaching ganz ohne jede Ausbildung beginnen, aber das wäre vermutlich früher oder später unverantwortlich, jedenfalls den Klienten gegenüber. 

Ich kann in diesem Beitrag nicht ausführen, von welch unterschiedlichen Art es Coachingausbildungen gibt. Das würde den Rahmen sprengen. Aber da gibt es, je nach Anwendungsverständnis, die unterschiedlichsten Varianten. Worum es mir aber geht, ist, ob es jemand schafft, gleich nach der Ausbildung bzw. wegen dem Abschluss der Ausbildung in "ein laufendes Geschäft" zu gelangen?

Es mag viel mehr Gründe geben, als ich hier erfasse, warum jemand eine Klientel schafft und gleich bedient, meist schon währen der Ausbildung, und warum es bei vielen nicht, nie oder kaum dazu kommt, so dass ein Start versickert. Ich möchte eher lösungsorientiert schreiben und ein Bild zeigen, welches einem ein Gefühl dafür geben könnte, was es sein könnte, worin ich als frisch ausgebildeter Coach zur Kompetenz in meinem Begleiten, in meiner Hilfe zur Selbsthilfe kompetent wäre: 



Sie werden feststellen, sozusagen am eigenen Leib spüren, dass es für Kunden nun eine innere Sicherheit braucht, etwas, wo man Ihnen kaum noch etwas vormachen kann. Etwas, worin Sie erfahren sind. Zumindest sollten Sie so weit Erfahrung haben, dass Sie den Kunden verstehen können, wenn er seine Situation schildert. Und zwar nicht kognitiv im Kopf oben verstehen, sondern im Bauch, im Körper, in der Resonanz eigener Erfahrungen, in denen sie selber einst gearbeitet, gelitten, gefreut, gefühlt und angenommen haben. Sie müssten es 'riechen' können, was Ihnen erzählt wird. 

Darüber hinaus, und das finde ich enorm wichtig, müssten Sie mit dieser bestimmten Erfahrung abgeschlossen haben, so dass Sie nicht mehr davon betroffen sind. Sie müssen den Schmerz, das Trauma, die Wucht und Wirkung jener Sache kennen, ohne dabei ins Triggern und in eine Betroffenheit zu geraten. Sie können also nicht jemanden in Stalking, Burn-out, Vergewaltigung, Schulden oder Arbeitslosigkeit, etc. coachen, wenn Sie noch darin stecken und geschüttelt wie gerührt sind, wie es Ihnen selber ergangen ist. Dann würde eine Identifikation mit dem Klienten entstehen, und die darf nicht sein. Solche "Coaches und BeraterInnen" erkennen Sie meist daran, dass sie mit einem Thema missionieren, als hätten Sie einen Auftrag das Thema in die Welt zu bringen. Sie sollten das Thema kennen - aber souverän davon weg sein, also 'plus ultra' - darüber hinaus. Dann sind Sie in einer Sache bewandert, ExpertIn, Fachperson, Crack - Sie wissen Bescheid. 

Irrwitzigerweise sind - das will ich nicht als letzte Wahrheit verstanden haben (Anmkerkung JJ) - die meisten Erfahrungen im Leben eher durch Krisen und durchs Scheitern errungen, denn durch klares Kalkül zum Erfolg, was es natürlich auch gibt (Ausbildungen / Karrieren / Sport- und Politsiege / etc). Doch meist fängt in uns das Interesse am Selbst (Ich-Kompetenz) und für andere darin an, dass es einem in einer Sache dreckig erging und man sich aber daraus lösen und befreien konnte. Bewältige Krisen sind mE die meisten Erfolgspositionen, die man als Mensch für sich authentisch verzeichnen kann. Dumm, wenn Sie bisher ein sorgloses Leben führen durften, es könnte sein, dass Ihnen vieles fremd bleibt. Aber bestimmt, es gibt auch zum Begriff 'Sorglos' eindeutige und wert- wie sinnvolle Kompetenzfelder. 

Vielleicht eine der grössten Hürden im Werden zum Coach, ist die eigene Ablösung, die eigene Emanzipation von Abhängigkeiten (gilt für beide Geschlechter), die Individuation in eine möglichst freie und unabhängige, als von Hörigkeiten befreite Person. Diese Ablösungen sind nun mal der grösste Kampf, den Menschen in ihrem Leben führen. Hier kann die Wahl der Ausbildung eine enorme Rolle spielen, je nach Anteil und Dauer in der Bildung der eigenen Person, der Persönlichkeitsentwicklung. Wenn Themen wie die Transaktionsanalyse (Berne/Harris) oder die Reaktualisierungstendenz (Rogers) im Zentrum der Ausbildung hohe Anteile genossen, so dass sich die Teilnehmenden darin reflektieren und immer wieder reflektieren mussten und es heute noch tun, dann kann es sein, dass Sie bereits gut wissen, was ich meine. Wenn aber eine Ausbildung mehr Methoden, Skills und Werkzeuge ins Zentrum stellt, werden Sie sich womöglich nun an jene Methoden klammern, 'klammern' eben, weil Sie nicht in sich selber stehen, frei und losgelöst und selbst'sicher. Es gibt die Weisheiten einer Medizinfrau, die sich Ohio Mountain Dreamer nennt, und deren Sätze Sie gerne hier vollständig lesen können - zuletzt fragt sie: 

<< Ich möchte wissen, was dich von innen hält, wenn sonst alles wegfällt. >> 
Orioh Mountain Dreamer

Sind Sie nicht selbst'sicher - wie wollen Sie dann jemanden coachen? Machen Sie was Sie für möglich halten, aber Ihre Kunden werden Sie in Ihren Schwächen riechen. Denken Sie daran: Weder in der Schule noch Lehre, weder in Anstellungen noch an Verhandlungstischen haben Sie viele Menschen beobachten können, die gerne Antworten liefern, Lösungen preisgeben, Vorschläge präsentieren und schon gar nicht gerne vor versammelter Mannschaft etwas vortragen oder zeigen. Sie kennen Menschen eher, dass diese sich in solchen Momenten in der Gruppe zurückhalten und sich schützen. Als Coach können Sie das nicht. Sie müssen nicht alles wissen oder können, Sie dürfen sich erkundigen und Schwäche zeigen. Sie müssen sogar in enormem Mass Schwäche zeigen und schwere Phasen aushalten können. Aber in Ihrer Authentizität geniessen Sie an keinem Tag und zu keiner Stunde Deckung hinter einer noch so ersehnten Insel - Sie sind als Coach gefordert, jenes Gefühl zu vermitteln, das einem Leuchtturm gleichkommt. Wetterfestigkeit, Trutz, im Aussen sein und an geschaffener Position deutlich sein - das gehört in Ihrem Komptenzfeld zum Rüstzeug. Sie müssen jene Portion Sicherheit dabei haben, wegen welcher der Klient seine Selbsthilfe begleitet haben möchte. 

Gehen Sie zu Beginn Ihrer Angebote (Coachings, Workshops, Interessengruppen, Gespräche, etc) in jene Bereiche, in denen Sie sich so sicher fühlen, dass Sie sich vor den Leuten nackig machen könnten und die noch so dumm schauen würden. Gehen Sie dort hin, wo Sie über sich hinaus gehen können - Ihr Plus Ultra.

- Wenn Sie soeben Yogalehrerin wurden, geben Sie erste Kurse in jenen Übungen, in denen Sie nicht mehr Lehrerin sein müssen. 

- Wenn Sie soeben Business-Caoch geworden sind, begleiten Sie Personen zu Beginn in jenen Fächern oder Leistungen, in denen Sie beruflich hart geprüft wurden (z.B. Disziplin / Ordnung / Genauigkeit / Abschliessen)

- Wenn sie als Life-Coach den Abschluss haben, suchen Sie in Ihrem Leben ihre lebendigsten Anteile (Schulzeit, Schwangerschaft und Geburt, Krankheiten und Heilung, Ihr Garten, Ihre Rezepte, Ihre Dekorationen, Ihre Partnerschaft, Ihre Reiseerfahrungen, Ihre Krisen mit Bestehen, Hauskauf, etc) - dort machen Sie einen ersten Info-Abend. 

- Coachen Sie bitte keine Hochbegabte, wenn Sie nicht hochbegabt leben ... - "Jetzt lachen Sie doch mal." 

Was können Sie, ohne die Ausbildung? Worin wissen Sie Bescheid? Wo wächst bei Ihnen Ihre Brust?

Herzlich

Jona Jakob

consensus-coaching.com
Zürich Bern Frankfurt


Kommentar einer Leserin zum Beitrag << Eine Coachingausbildung ist keine Kompetenz >>

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, ich darf diesen Kommentar veröffentlichen. Ich erlebe ihn so eindrücklich, wo er deutlich zu spüren gibt, dass jeder Mensch sein Ding haben kann, worin sie oder er mit der Ausbildung eine starke Hilfe zur Selbsthilfe verkörpern kann und damit Coach wird. Ich danke Doris Bussmann, einerseits fühle ich mich gesehen und verstanden und andererseits sind mir ihre Worte ein Geschenk. BG, JJ 
Hier der Link zum Originalbeitrag: http://exhalat.blogspot.de/2013/10/eine-coachingausbildung-ist-keine_15.html

Lieber Jona

vielen herzlichen Dank für diese Anschauungen, über die ich hier gerade gestolpert bin. Sie geben mir viele Antworten - auf Fragen, die mir meine Coachingschüler stellten und auf die ich nicht genau wusste, wie ich antworten sollte. Jetzt aber weiss ich, was es ist, warum ich einerseits mit Leib und Seele Coach bin, andererseits mich in vielen Bereichen und Gebieten so unsicher fühle, dass ich auch selten Klienten bekomme: 


In meinem Gebiet als Lehrerin bin ich im Angestelltenverhältnis und coache in dessen Rahmen. Und ausserhalb habe ich gemeint, zu wenig Zeit und Werbung investiert zu haben. Aber ich vermute aufgrund deiner Aussagen, dass ich wohl eher zu wenig auf mein Inneres, auf meine Authentizität vertraut habe und mich zu stark an der Methode festhielt. Wenn mich dann meine Ausbildungsteilnehmer fragen, wie man zu Klienten kommt, fühlte ich mich im ersten Lehrgang noch als Heuchlerin und war zutiefst unsicher, ob ich überhaupt Ausbildungen geben dürfte. Inzwischen weiss ich aber, dass ja, denn ich BIN Lehrerin und kann und darf demzufolge unterrichten und ich habe auch längst genügend tägliche Erfahrung im Coachen von Menschen, Kinder wie Eltern, zudem einen Logenplatz auf die menschliche Entwicklung. Es ist auch durchaus so, dass mich Leute um Unterstützung bitten in ihren Angelegenheiten als Mutter, Alleinerziehende, Partnerin oder Partner, Lehrperson, gesundheitlich oder lebensgestalterisch. Und natürlich höre ich da zu, frage ich da nach und helfe ich da weiter. Einfach so, denn das ist in mir. Und es geschieht ganz selbstverständlich. 


Ich werde also in Zukunft weniger an Werbung denken, wenn ich Coaching meine, sondern meine Kompetenzen besser auf meine Fahne schreiben und ich bin überzeugt, die Leute, die mich brauchen, kommen. Auch mit der Bitte um ein reguläres Coaching, weil ich weiss, dass nicht nur mein Zuhören, sonder auch unsere Coachingmethode Teil von mir ist und durch mein authentisches Überzeugtsein wirkt und "gluschtig" macht.

Und meinen Studis werde ich sinngemäss erzählen, was du hier geschrieben hast. Nochmal danke dafür!


Herzlich
Doris Bussmann, Bern, 16. Oktober 2013

14.10.13

Coachingausbildung wird zum Loch, in das man fallen kann

Es ist mir als Beobachtung nicht entgangen, dass sich viele Menschen davon angetan fühlen, selber coachen und daher auch 'Coach' werden wollen. Neben diesem Anliegen gibt es eine Reihe angegliederter Formen solcher Bestrebungen, welche wir als Bereiche
  • der Körperarbeit 
  • der psychosozialen Arbeit und 
  • der Arbeitswelt (Skills) ansiedeln können 
  • selbst die beliebte Ausbildung des Heilpraktizierens gehört in dieses Feld 


Die Coachingausbildung als persönliche "Fallgrube"


Ich beobachte dabei seit Jahren ein Geschehen, das in den meisten Fällen "nach" Abschluss der Ausbildung auftritt, aber einem zu Fall bringen kann, jedenfalls für eine längere Weile:

Der ausgebildete Mensch, frisch gekrönt als Coach, fällt in ein Loch! Es zeigen sich mir Sachen wie
  • Unsicherheit 
  • Selbstzweifel 
  • zögerliches Vorangehen 
  • kaum Trittfestheit und 

  • Gewusel im Aussen bezüglich Leistungsbezeichnung 
  • Titel 
  • Zielgruppe 
  • Leistungsrahmen und last but not least 
  • den Honoraren/Preise 


(Bild von Jona Jakob auf Jotter)

Was passiert da?

I - Motivation zur Ausbildung

Die Motive, dass sich jemand für eine Coachingausbildung interessiert, liegen oft nicht einzig beim Fokus für andere Menschen. Vielmehr möchte man aus einem Bedürfnis in Sachen Selbstkenntnis und Ich-Kompetenz eine Ausbildung für Persönlichkeitsentwicklung machen, um sich selbst zu entwickeln bzw. einmal im Zentrum zu stehen.

II- Das Glücksgefühl der Ausbildung

Es ist nicht unbekannt, dass eine begonnene Ausbildung vielerlei gute Gefühle aufkommen lässt und man begeistert bis euphorisch bei der Sache ist, bis hin zur freudig verkündeten Anfrage um Unterstützung von Erhebungen für Abschlussarbeiten. Man ist gut und fleissig und stolz darauf. Gerne.


III - Beendung der Ausbildung

Auf einmal ist alles fertig. Die Zusicherung, man sei nun Coach ist ausgestellt, es gibt ein letztes Hallo und danach geht jede Teilnehmerin und Teilnehmer in seine eigene "Alleingelassenheit" (sag ich mal, um zu veranschaulichen). Danach vergehen die Wochen und es entsteht eine Distanz zur aktiven Lehrzeit, den 3-6 Monaten, wenn es dick kommt, war es ein Jahr. Tschüss, eingebundene Zeiten. Tschüss Gruppe. Ade Spiegelpartner und Feedback von Trainern. Hallo "Ich-alleine" und nun?: Ich falle in die Coach-Ausbildungsfalle!


IV - Die Dreiheit der Destabilisierung im Selbstvertrauen

Jetzt kommen drei Dynamiken zusammen:

  1. Meine "Allein-Sein-Verunsicherung" nimmt zu ...
  2. Der Diplom- bzw. Kundenerwartungsdruck nimmt zu ...
  3. Die Wirkung der Persönlichkeitsentwicklung setzt ein ...


IVa - zu 1 - : Meine "Allein-Sein-Verunsicherung" nimmt zu

Ich spüre mit jeder Woche mehr, dass ich 'niemanden' mehr für meine Fragen, Unsicherheiten, etc. habe, und ich aber von der ersten Sekunde Kontakt tausende von Fragen hätte, die alle zu klären wären. In der Ausbildung noch so klar empfunden, entsteht im Alleinsein ein 'pas-de-deux' (Zweiertanz) der höchsten Verantwortung ... bloss nix falsch machen, aber wie geht das?


IVb - zu 2 - : Der Diplom- und Kundenerwartungsdruck nimmt zu

Jetzt hat man diese Ausbildung. Verwandte, Kunden, Mitarbeiter im eigenen Unternehmen, Vorgesetzte und Kontakte wissen: "Ah, du hast doch jetzt eine Coachingausbildung - na, dann mach mal...!" - Und bitte, mach es richtig bzw. tu mir nix Falsches mehr, ob jetzt als Verwandter, Bekannte, Kollegin oder Trainer ... verletze oder enttäusche mich nie mehr, und vielmehr, bring mich vorwärts, selbst wenn wir nur einen Café trinken. Zeig mir wo es lang geht und überzeuge mich mit deiner Schlauheit, denn DU bist der Coach. Und bestimmt: Es ist mir egal, ob du selber in Nöten bist, auch bedarfst, keinen Auftrag oder Kunden hast und ich dir nicht ausgleichend begegne sondern fordernd und erwartend.

Jetzt kommt der Punkt, wo die "Ich-falle-Falle" einsetzt:


IVb - 3 - : Die Wirkung der Persönlichkeitsentwicklung setzt ein

In den 6-12 Monaten Ausbildung lernte ich mit Lust und Freude und einer hohen Bedürftigkeit unzählige Theorien, die ich alle für MEINE Persönlichkeitsentwicklung, für meine ICH-Kompetenz BENÖTIGTE. Benötigte als Not.

Es war herrlich und wohlig, von

  • Eisbergmodell
  • Transaktionsanalyse
  • Empathie
  • Zielentwicklung
  • Zuhören
  • Einfühlen
  • Verstehen
  • Fragetechniken
  • Programmierungen
  • Sozialisierungen
  • Lebenszyklen
  • etc. etc.
zu hören, zu vernehmen, es auf sich selber zu reflektieren und sich darin - als Auszeit und Tat am Guten - zu sehen. Es war schlicht die Wonne, sich wiederzuerkennen, von anderen gespiegelt, gefeedbacked und empathisch in Ich-Botschaften dargestellt und gesehen zu werden. Endlich wer, dem man sich anvertrauen kann. Endlich ein Ort, wo man sich offen zeigen darf, wo es gewünscht ist, sich zu reflektieren, in sich einzufühlen und hervorzuholen, was in einem seit vielen Jahren angestaut zugeschüttet unterliegt. "Auftun, öffnen, her damit .. Aahhh" - die Gruppe trägt das alles.

Aber da ist die Ausbildung auch schon fertig, alle sind weg und in meinen täglichen Handlungen erkenne ich mich wieder: klein, solo, unsicher, nicht gemittet und bedürftig.
Ich finde es zwar gut, endlich über mich selber reden und mich zeigen zu können. Ich finde es gut, meine Verletztungen und Wunden, Schwächen und Ängste eingestehen und offenlegen zu können ... doch nun liegt alles offen aber kaum etwas davon ist damit schon verarbeitet.

Das Verarbeiten setzt, frisch angefixt, eben erst ein: RRRUMPS ... PLATSCHH ... Beine weg.
Was meine ich mit "Loch, in das man fallen kann"?

Ich meine oft zu beobachten, dass die Anteile, welche die Persönlichkeit eines jeden in hoher Resonanz anklingen lassen, in den allermeisten Fällen nach einem ersten Erkennen und Wahrnehmen (noch in der Ausbildung) dann erst anfangen, als Erkenntnis in mich zu sickern, mich auffordernd, mich damit zu befassen. Ich muss mich - so 'viral' angefixt - auseinandersetzen, hinschauen und es herausarbeiten, ganz nach dem (Stupid-)Klassiker: "Schau bei dir selbst - was hat das mit dir zu tun?", ganz oft ein überfordernder Einsamkeitsschaffer aller erster Güte.

Die jahrelang verhinderte Persönlichkeitsentwicklung wird durch solche Kurzausbildungen wie ein Pickel entzündet, reif gemacht und auch aufgedrückt, damit sich sein Inhalt unschön zeigt ... - doch wenn danach keine Zeit bleibt, die offenen Wunden richtig leer zu machen, sie zu säubern und sorgsam verheilen zu lassen, bleibt was? Eine Narbe, zu oder offen nässend.

Und so kann es sein, dass jemand nach einer zu kurzen Ausbildung mit persönlichkeitsentwickelndem Anteil zwar an vielen Stellen erlöst offen dasteht, jedoch niemanden mehr findet, der nun die Heilung, Verarbeitung und Entwicklung mit einem begeht und liebevoll mitmacht, bis es gut sein kann.

Es steht dann wer da, mit seinem Coach-Titel, und fühlt sich allenfalls unsicherer als je zuvor. Wo hingegen das Umfeld meint, einen ausgebackenen Psychologen vor sich zu haben, der nie mehr eine Schwäche zu zeigen braucht. Ein Konflikt, der zum Verkriechen führen kann.

Wenn Ausbildungen von der Dauer her lange, d.h. zwei und mehr Jahre dauern, wird diese Krise meist durch die Ausbildung getragen. Die Gruppe ist noch da, die Trainer ebenso, man hat mehr Zeit und auch das Ausbildungssetting, an welches man immer und immer wieder vertrauensvoll gelangen darf.

Wenn wer aber in die Situation gerät, dass die frisch geöffneten Erkenntnisse ANFANGEN ZU WIRKEN, dem entsteht keine Möglichkeit, diesem auszuweichen. Der Prozess der Entwicklung, ob zum Guten oder Verunsicherten, schreitet ohne Rücksicht voran und verändert einem, ob per Krise oder Erkenntnis, ob als heilsames Gutwerden oder bleibendes Vernarben.

Man kann sich in dieser Situation nur entscheiden, ob man das Ganze mit sich selber durchsteht, diese 1-2 Jahre Prozess, oder ob man eine Möglichkeit zur Supervision prüft. Damit: Mit dem Diplom fängt sehr oft erst etwas an, was einem selber mehr beschäftigen kann, als dass man verantwortungsvoll in der Lage wäre, für andere Menschen bereits eine Begleitung und ein Vorwärtsbringen zu bewirken, fühlbar als in sich ruhend und mit gereifter Sicherheit, Ich-Kompetenz und Sozial- oder Methodenkompetenz.

Vielmehr kämpft man allenfalls mit zusätzlichen Nebenerscheinungen:

  • Partnerschaftsverlust
  • Jobverlust
  • Selbständigkeit
  • Scheidungsbedürfnis
  • Bruch mit den Eltern
  • Verlust von früheren Kollegen
  • Einsamkeit
  • noch keine neuen Freunde, etc.

Mein Vertrauen, meine Sicherheit, meine Gelassenheit, mein Gesundsein und mein ganz eigenes OK-Sein ist MEINE Mitte. Meine Offenheit ist ein Bild von einer ruhenden Seele und nicht einer offenen Fleischwunde. Nach Ausbildungen - egal welcher - entsteht für die allermeisten Absolventinnen und Absolventen, vom Abiturienten bis zum Fach-Meister eine Art "Vakuum" - dort hineinzufallen hat seine Tücken - aber für einen Coach geht das nicht!

Es lohnt sich mE, solches zu beobachten und allenfalls einzugestehen, nicht als Form von Bezichtigung, sondern als gut verstandenes Zeichen von Verantwortung, welche man dann doch wahrhaben will.

Nachtrag:

Geben Sie nun auf keinen Fall auf. Das Löbliche an Zeit ist, dass sie verrinnt. Und noch viel löblicher ist des Menschen "Reaktualisierungstendenz" (Rogers) ... aus dem Sturmtief segeln Sie dann schon wieder raus - wohlwissend, was ihr Schiff auszuhalten vermag. Danach ... danach ist man 'Captain' - mit oder ohne Diplom.

Warum? Weil Ihre Erprobtheit glaubwürdig geworden ist - was dem Gegenüber spirituell das Gefühl von Vertrauen verschafft. Und eben nicht das schimäre Vertrauen, Ihnen nachzudackeln, als wäre Sie die Obermutter, nein, ich rede von echtem Vertrauen, welches Sie schaffen, in welchem nun andere Menschen ihr ganz eigenes Schiff erproben wollen, erfahrend, ob es selbsttragend und selbstverantwortend schwimmt.

Herzlich

Jona Jakob

consensus-coaching.com

Zürich Bern Frankfurt

12.10.13

... ist Heilpraktizieren - nicht Coaching!

Coaching: 

Das meiste, was mir im Internet angeboten wird, ist Heilpraktizieren - nicht Coaching!


by JJ
Jona Jakob, Aug. 2013