27.11.19

Die Idee von der 'Coach Master Class'

Für mich gibt es den Gedanken eines Lehrgangs für eine Art Master-Class nicht. Das mag es geben, da verkaufsmäßig interessant, aber warum sollte aus einem miesen Koch ein 'Chef' werden, bloß weil der nochmals etwas die Kursbank drückt? Selbst für eine Meisterprüfung im Handwerk sind Zulassungsbedingungen ein Muss, um in einer solchen Meister-Klasse teilnehmen und zur Abschlussprüfung antreten zu dürfen.

Hingegen ist meine Vorstellung einer Master-Class eher derart gestaltet, als dass sich ausgewiesene, erfahrene und marktfähige also praxisbewanderte Coaches treffen und in der Begegnung sich still und leise fortentwickeln.

Eine solche Klasse der Meister bräuchte eventuell nicht einmal einen Oberzampano, wobei: jemand müsste ja einladen und den Rahmen gestalten. Aber ein eigens getragenes Treffen an einer ordentlichen Location wäre mir durchaus vorstellbar. Man kommt her, weil man sich gerufen fühlt, weiß aber noch lange nicht, womit man konfrontiert wird.

Der Prozess bzw die Tage wäre nicht neuen Methoden oder Tools zu verschenken, sondern konkret und einzig der Hermeneutik: dem, was Gadamer in 'Wahrheit und Methode' das Phaenomen des Verstehens bezeichnet:


Ich zitiere aus Wikipedia: Hermeneutik
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Eine hermeneutische Regel ist, das Ganze aus dem Einzelnen und das Einzelne aus dem Ganzen zu verstehen. Die Bewegung des Verstehens läuft von einem zum anderen und wieder zurück, wobei das Verständnis von beidem erweitert wird (hermeneutischer Zirkel).


Etwas zu verstehen bedeutet, einem Text, Gesprächspartner oder Kunstwerk mit einer konkreten Erwartung entgegenzutreten und diese dann während des Eindringens in den Sinn des Gegenübers beständig zu revidieren. Diese Erwartung ist eine Vormeinung oder auch ein Vorurteil zum jeweiligen Thema. Zum Verständnis des Gegenübers genügt es nicht, dessen Sinn in die eigene Vormeinung zu integrieren. Vielmehr muss man den Willen aufbringen, die eigene Vormeinung auf Geltung und Herkunft zu überprüfen und in Bezug zum Sinn des Gegenübers zu setzen. Daraus erwächst eine die eigene Vormeinung und den Sinn des Gegenübers umfassende Wahrheit im Sinne einer Horizonterweiterung.
(Ende Zitat)

Ich verweise auf den Beitrag von Dr. Stephan Daniel Richter im Buch: Qualität im Coaching / Springer Verlag, Seite 143 - 152 "Einmal verstehen bitte!" - Coaching und Hermeneutik.

Auch ist die von Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück) entworfene Personzentrierte Systemtheorie eine solche Konzeption, dem Verstehen mehr bewussten Boden zu schenken.



Da sehr viel von dem, was in einer erfahrenen Master-Class zu besprechen wäre, aus der Praxis stammt und diese zumindest zweigeteilt sich darstellt, wären neben

a) Themen aus Coachingprozessen und -krisen bzw. -erfolgen

besonders auch

b) Themen der Geschäftsgestaltung zu besprechen: Verträge, Preise, Konditionen, Digitalisierung, Marketing, Multiplikation, etc. sowie ganz persönliches aus der eigenen Solo-Arbeit.

Für mich müsste es so sein, dass nach den ersten 2-3 Fragen mindestens zwei Teilnehmende aufstehen und gehen würden, mit der Bemerkung: "So weit bin ich noch nicht. Ich kann hier nicht mithalten." Eine ordentliche Master-Class wäre eine Berufung, kein buch- und kaufbares Produkt. Die Klasse könnte zeitweilig aus einem einzigen Teilnehmenden (m/w/d) bestehen. Mir schwebt auch keine Homogenisierung der Teilnehmenden vor, sondern bestenfalls eine Art sich erweiterndes Spinnendiagramm möglicher Kompetenzen, die man zugesprochen bekäme.

Alles in allem würde man sich aber zurückhalten - alleine aus dem Grund, dass man ein gesundes Selbstgefühl in sich etablieren konnte, welches einer Bewertung von außen standzuhalten sich gewohnt ist.

Denn wir alle kennen zur Genüge die Erfahrung aus Tanzschulen, wo die grösste Zahl der Tanzkursteilnehmenden seit Jahren den höchsten Level der Star-Klasse erreicht haben ...

... doch beim Tanzen immer noch zählen.

Ich wünsche mir so eine Zusammenkunft und deren Teilhabende. Das wären allerdings alles 'Dancers in the Moment', als dass die noch einen Handlauf benötigen würden. Solche ein Anlass, ähnlich eines Bar Camps, würde sich dann aber nicht als 'Master Class' bezeichnen ...

... sondern als 'Masters'.


Beste Grüße
Jona Jakob
humannessCoach, Aschaffenburg