16.11.13

"Coach oder Coaching" - Warum Schlechtreden das Kind mit dem Bade ausleert. Ein Überdenken.

Wie gerne zerlegt selbst die eigene Zunft den Begriff 'Coach oder Coaching' und meint, es gäbe keine Ende, wer sich alles Coach nenne und wofür alles das Wort Coaching eingesetzt würde. Da wird viel abwertender Hick-Hack betrieben und der Idee der Hilfe zur Selbsthilfe massiv unrecht getan. Wegen der Unklarheit und einer damit einhergehenden Bequemlichkeit wird nicht viel nachgedacht - einfacher ist es, einen Sündenbock zu finden, und damit sozusagen alle, die sich 'Coach' nennen, als potentielle 'Scharlatane' in die Pfanne zu hauen, "... weil die doch nicht wirklich wissen, was genau die da tun."

Ich werde nicht weiter in diese Kerbe hauen. Die Argumentation vermittelt eine falsche Prämisse und ist mE nicht länger haltbar. Es liegt nicht daran, dass sich viele Anbieter und Angebote 'Coach bzw. Coaching' nennen. 


"The most remarkable thing about my mother is that for thirty years she served the family nothing but leftovers. The original meal has never been found." 
Calvin Trillin
"Das Bemerkenswerteste an meiner Mutter ist, dass sie der Familie über 30 Jahre nichts anderes servierte, als Übriggebliebenes. Die Originalmahlzeit wurde nie gefunden. - Calvin Trillin


Nach bald 200 Klienten, die mich für ein Coaching beauftragten, will ich aufgrund der Zeilen von Calvin Trillin anmkeren: DAS ist die Situation, welche dem Begriff 'Coach oder Coaching' keine Kontur und keinen Halt gibt. Die Ausgangslagen, die IST-Situationen der Klientel ist die schwammige Masse, die für niemanden richtig greifbar wird. Vom Leben, Schicksal, Herkunft und Vorgeschichten aufgepeppt und aufgepeppt und nochmals mit etwas zugesetzt, kommen Menschen mit unklaren Verhältnissen in Coachings, nicht wissend, warum und woher die Dinge stammen, die vorliegen. 
Im ersten Moment musste ich über Trillins Zeilen herzlich und verständnisvoll lachen - bitte nehmen Sie es mit Humor: Das meiste mitgebrachte Leben und Arbeiten von Menschen entspricht erst einmal dem Bild von Resteküche. Mal mehr, mal weniger, aber die Idee, dass man aus der Vergangenheit immer noch etwas mitschleppt, was man schon nicht mehr zu erkennen vermag, das ist, so mein Eindruck, das wesentlichste Merkmal aller Ausgangslagen. Und wer nicht mehr wirklich in der Lage ist, seine eigene Basis des Mitgebrachten - das eigene Gelebte - zu erkennen und zu verstehen, der wird mit höchster Wahrscheinlichkeit dazu tendieren, wegen des eigenen Fahrwassers und der gefühlten Bodenlosigkeit erst einmal zu meinen, es sei nicht klar, was von denen angeboten wird, die es 'Coach oder Coaching' nennen, dabei sind diese oft bewusster aufgestellt. 

Sie glauben mir nicht und finden meine Worte krass? 
Ob Sie selber eher zur Kundschaft zählen oder ob Sie Coach sind und ein Coachingangebot anbieten, Sie werden mit mir einig sein, dass Sie folgende Szene bestimmt schon mal erlebt haben:  An Coaching Interessierte wie auch Coaches kennen die Frage: 

"Und 'wer' kommt denn so zu dir ins Coaching?" - 

Zu gerne fallen Fragender und Antwortender auf folgenden verfänglichen Aspekt rein: Die Bewertung von 'Coaching' anhand von 'Typen / Zielgruppen', als wären "nur gewisse" Menschen für ein Coaching "geeignet". Antwortend fallen dann Worte wie: "Das ist ganz verschieden, meist Menschen aus Arbeitsprozessen, Männer mit Job-Themen, Manager, Arbeitssuchende, Frauen mit Emotions- oder Orientierungsanliegen, Erwachsene, Personen mit einer Krise, blablablubb..." 

Was macht der Zuhörer mit dieser Antwort? 
Er bewertet innerlich nach Go und No-Go, ob er oder sie sich zu dieser Klientel zählen würde. Es geschieht ein diffuser und unhaltbarer "Klassen- und Typen-Check". Das ist zwar höchst menschlich, aber voll daneben, weil a) damit Menschen ungerecht und unhaltbar bewertet und eingetütet werden oder sich selber falsch eintüten und b) weil es dem Eigentlichen, was der Fragende erfahren möchte, null und nichts dient. Die falsche Frage wird mit einer unangebrachten Aufzählung unreflektiert bedient aber nicht beantwortet! 

Wie muss die Frage daher gestellt und beantwortet werden? 
Richtig muss gefragt werden - und ich werde das zukünftig als Coach sofort klären: "Was für Anliegen, Probleme klärst du in deinen Coachings? Welche Ziele kannst du begleiten? In welchen Bereichen greift deine Hilfe zur Selbsthilfe erfolgreich?" 

Dann wird klar, was mein Coaching und ich als Coach vermag. Daran kann eine potentielle Klientel für sich erkennen, ob ich als Anbieter passen würde, oder ob ich zumindest das Anliegen klären und die richtige Person vermitteln kann. Prompt haben wir ein echtes Miteinander - und niemanden mehr wird unbeholfen verunglimpft. Immerhin, meine ich. 

Herzlich

Jona Jakob

consensus-coaching.com
Zürich Bern Frankfurt


P.S. Übrigens, wenn jemand Resteküche, ein Mahl aus Übriggebliebenem mitbringt, dann braucht es ganz viel Herz und mächtig Hunger, weil: "There is no sight on earth more appealing than the sight of someone making dinner for someone she / he loves."--Thomas Wolfe