13.09.15

Geburts-Tag

Also ...

Danke für die vielen Grüsse und Glückwünsche zum Geburtstag. Manchmal kann man nicht so richtig erzählen, was war, es is aber ne Menge Gutes.

Das Entscheidende am Älterwerden ist mE, dass man immer weniger ernst nehmen muss. Sich selber schon am wenigsten. Und es entspricht meiner Denke, dass es keine grössere Eigenschaft für einen Coach gibt, als diese Souveränität, sich nicht mehr ernst nehmen zu müssen. Mann kann, ja, aber man muss nicht. Es mag nun unzählige Menschen geben, die hierzu meinen würden: "Wie kann der nur so etwas behaupten?" aber gerade diese verkrampften Sichernstnehmer sind es, die mir in diesem Berufsfeld am suspektesten sind. Wenn man genau hinschaut, gibt es ein Heer von Coaches, die ja nix anderes vermitteln, als 'Festhalten'. Die bescheren einem die zweite Stufe Maslow, also "Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen". Von Selbstverwirklichung sind die selber weit davon entfernt bis unfähig.

Ich stelle mir das vor, wenn sich der orientierungsuchende Klient mit dem Sichernstnehmenmüsser treffen und die beiden dann versuchen, die Situation zu verbessern. Zwei Kieferknirscher, die gemeinsam ein Uhrwerk bauen wollen. Für mich zählt viel mehr der Gedanke, dass die Philosophie weiter die Kunst ist, sterben zu lernen. Dazu braucht es die innere Ruhe, dem Tatbestand des eigenen Endens mit einem Ja empathisch beizustehen. Da kann man loslassen und so an Wesentliches des Eignen wie das des Fremden herangelangen, da auch ein Entleben keine Wirkung darauf einnimmt. Alles andere ist Verkrampfung. Selbst der Gedanken an Etwelches, was man mit "Verantwortung" mir entgegensetzen möchte ... mit dem Effekt des Sterbens hebt sich auch dieser Standpunkt förmlich auf, da nicht haltbar. Wären Sie schon vor 20 Jahren gestorben, Ihre Kinder, Ihr Hund und andere würden getrost im Leben stehen. Wir sind entbehrlich, echt jetzt.

Nebenbei: Buntspechte klopfen auf Baumnüsse der beiden Bäume ein. Klingt toll ...

Also, mein Geburtstag fiel mit zwei Dingen zusammen, auch wenn es Zufall war: Erstens: die ARD startete mit der neuen Stadlshow, und da ich 53 wurde, fühlte es sich so an, als sei ich nun die angepeilte Zielgruppe für nächste 15 Jahre TV-Samstag. Alles etwas jünger, mehr live, bunter und weniger chalêt-haft.

Und zweitens, der viel grössere Bang: Irgendwie hab ich gerade nichts mehr zu tun. Ich bin mit allem auf meiner Höhe, bei mir. Ich habe über 10 Jahre Lebenskrise hinter mir. Jahre, in denen ich in diese Krise hineinschlitterte, Jahre, in denen ich nur verlor, Jahre, in denen ich nicht wusste, ob ich so leben wollte und Jahre, wo ich eine Idee davon hatte, wofür ich da doch wieder raus wollte. Ich meine, man muss einen verdammt guten Zielort für sich haben, wenn man im Wesentlichen nicht zu feige ist, sich das Messer durch die Unterarme zu ziehen, Also bin ich. Und es sind 10 Jahre rum.

Ich war, wenn ich es mit meiner Brille checke, mein Leben lang Coach, Mit 10 coachte ich unsere Haushaltung, das Essen, die Küche, den Einkauf. Mit 12 war ich Liebeskummercoach, da ich bereits in der eigenen Mansarde wohnte und alle Schulfreunde das nutzten. Als Asthmatiker wurde ich niemals Fussballcoach, aber dafür Mitmädchenrumsitzer, ich war 'der' Softcoach, als der Softie erst erfunden werden musste. Die eigene Bude und der Master in Haushaltführung machten mich zum Gastgebercoach, ob vom Familienfrühstück bis hin zur grossen Fete. Mit dem Moped mobil und zum Discokönig geboren, wurde ich Cliquen-Coach. Ich war der sprichwörtliche 'Tom Hagen' der Berner Discoszene, die ja Fribourg, Neuchatel und Biel miteinschloss. Dass ich, konfrontiert mit den Verantwortungen des Erwachsenseins längst zu einer Art Freak meiner Resilienzstrategien geworden war, konnte ich für 15 Jahre der Verblendung nicht erkennen. Ich wurde irgendwas oder irgendwer, nur nicht mich. Ich musste scheitern. Ich war da 42.

53 sein und als Coach in einer bunten Geografie zu stehen, die sich gesellschaftlich mehr als oft ändert, ist eine Herausforderung. Manchmal weiss ich, für wen ich mich eigne, manchmal habe ich das Gefühl, alle Bezüge zu Menschen würden sich mir entziehen. Zudem baut der Körper ab.

Aber eben, mir ist längst gelungen, was Schissern nicht wirklich möglich wird. Ich kann. Und wenn es sterben ist, kann ich alles andere auch. Und wie das so kam, dass ich nun damit beglückt bin, weiss ich nicht. So nichts müssend kann mir das gleich egal sein. Dieses Unbezogene, Unverhaftete, die Freiheit eines offenen Seins ohne jede Notwendigkeit - DAS eben hat sich mir erschenkt, gegeben. Ich habe es hier bei mir.

Und wenn Sie nun meinen "der spinnt" - na dann denken Sie halt etwas länger darüber nach - oder halten Sie sich gerne an dem fest, was meine Gedanken Sie verunmöglichen lässt. Nochmals - es gibt mE keine besser Fähigkeit für einen Coach, als wenn der spürt, dass er nicht mehr muss. Dann noch jemanden dazu bewegen, sein Sein zu optimieren, das ist die freieste Art und reinste Qualität von Bejahung zum Leben, die es mE gibt.

Die meisten Menschen sterben in jener Gefühlsorientierung, mit welcher sie ab dem Geburtsmoment in die Welt traten, nämlich im Modus "Ich-bin-nicht-ok und ihr-seid-ok". Geht auch, wenn man nie was anderes erfährt.


Geburts-Tag, das ist mE dann, 

wenn dir die Umstände wo ein Fenster so aufreissen, 

dass du genug Zeit bekommst, 

den blauen Himmel, die frische Luft und deine eigenen Felder 

unter deinen Füssen zu spüren, so dass du merkst: 

"Aha, DAS ist meins ... zuvor, das muss ein Film gewesen sein."

Jona Jakob - 2015



Ich werden den Teufel tun, mich unter die alte miefige Decke der Abhängigkeiten und des Festhaltens an irgendwas zurückzukrümeln. Nicht einmal eine mögliche Krankheit soll es je schaffen, mir meine Freiheiten zu nehmen. Ich bin da, um zu zeigen, dass man selbst leben kann. Sollte sich das mir umständehalber versagen, warum auch immer, ist fertig. Denn dafür wäre ich niemals nochmals zu haben.

"Cheers!"