05.05.18

Anstand hat man - oder man hat keinen.

Kann man in der Rolle als Global Player und Automobil-Weltkonzern entscheiden " ... ehrlicher, offener und anständiger ..." (VW Chef Herbert Diess) sein zu wollen?

Sein Wort in Gottes Ohr, würde der Volksmund sagen. Mir aber blieb die BILD-Schlagzeile im Hals stecken. - Nach Matthias Winterkorn folgt in der Konzernleitung  von VW, ausgesprochen VOLKSwagen, Matthias Müller und nach diesem seit wenigen Tagen Herbert Diess. Die BILD zitiert Herr Diess mit den Worten:

"VW muss anständiger werden." (VW / Herbert Diess)

Die Frage lautet:

Kann man das? Kann man "willentlich anständiger" werden?

Mein Gedanke ist, dass man den Wert 'Anstand / Anständigkeit' nicht wirklich willentlich und damit pragmatisch höher oder weniger hoch praktizieren bzw. leben und damit vorleben kann, gerade nicht als Weltautomobilkonzern. Was Herr Diess ausgesprochen hat, ist die Schimäre an sich. Im Ungesagten äussert Herr Diess, "wir werden aber schon Anteile praktizieren, welche unehrlich, intransparent und nicht anständig sind - vielleicht etwas weniger als bisher, aber doch schon" . So lässt sich das in seine Worte hineininterpretieren.

Wer mir sagt, dass er sich bewusst entscheidet, mehr oder weniger "... ehrlicher, offener und anständiger" sein zu wollen, der sagt mir damit unausgesprochen: Alles, was weniger als das Höchstmögliche in der Sache ist, ist bewusst unehrlich, verheimlicht und intransparent gehalten.

Jetzt könnten Sie mir per Johari-Fenster-Methode erklären, dass es menschlich sei, Anteile des Ichs (ob als Person oder Organisation) a) nicht sehen zu können (Blinder Fleck), b) nicht zeigen zu wollen (Fassade), c) sich nicht bewusst zu sein (Unterbewusstsein). Und das werden meine Fragen und Darstellungen auch nicht widerlegen. Das bleibt so.

Aber im Bewussten, jenem vierten Teil, der aus Fremd- und Selbstwahrnehmung beiden Seiten bekannt ist, kann Herr Diess oder sonst wer eine Äusserung in Sachen Anstand machen, die den Wert Anstand pragmatisch verkommen lässt?

Denn wenn ich als Konzernchef mit dem Wert Anstand willentlich umgehe wie ich will, mal anständiger, mal unanständiger, je nach Bedarf, habe ich in schier unerträglicher Weise mehr schlechte Haltung erlangt, als es einer Vorbildlichkeit zuträglich würde - vielmehr drücken Herrn Diess Worte aus, wie unsäglich macht- und "massregelungsbetont" diese sich von Oben herab in einer unterschwellig verlogenen Demut beugen. Wenn VW sich herablässt, "anständiger" werden zu wollen, wie noch soll man seine Kinder erziehen? Wie sitzt so jemand Sonntags betend in der Kirche?

Bild: Jona Jakob, Mai 2018 / (c) humanness Coaching, Aschaffenburg

Ich schiesse hier nicht auf Hrn. Diess oder VW, die sind gerade aktuell die Beispiele für ein verzerrtes Werte- und Haltungsmanagement, einem Fundament, auf dem wir uns weltliches Miteinander in Vertrauen bauen können sollten. Doch wer damit jongliert, verspielt damit die Sockelwirkung eines jeden Fundamentes, alles fängt an zu wackeln.

Und an dieser Stelle, ob ich (JJ) als Coach, ob als Gedankengerüst (Philosophie) fürs Werte- und Haltungsmanagement, ob als Konzern für globale Verantwortung oder ob als Leader in der Rolle des Konzernvorstandes (Verantwortung) ... mir scheint es nicht möglich, Anstand mal mehr oder weniger haben zu wollen.

Anstand hat man - oder man hat keinen. 

Dies sei nicht zur (vor)verurteilung von Hrn. Diess oder VW geschrieben. Dies sei geschrieben, um sich zu fragen, wie man es für sich selber halten will. Will ich damit je nach Situation umgehen, "wie viel anständig" ich mich verhalte? Oder will ich mein Leben, unser Miteinander und die Arbeit mit Anstand verrichten, bei dem ich mich nach bestem Wissen und Gewissen daran halte, auch wenn es mir mal zum Nachteil gereicht?

Ich danke Ihnen, wenn Sie sich für sich selber mit der Frage beschäftigen mögen.




Nachtrag zu Deon - Pflicht: 

Wenn man anstelle des (neoliberal unterwanderten) Pragmatismus in seiner Haltung verbleibt, also in sich eine Art Pflicht sieht, sich in Fragen zu Anstand nicht jeden Tag neu zu fragen, sondern den Wert Anstand unhinterfragt aufrecht HÄLT (Haltung), kann sich im Feld der 'Deontologischen Ethik' wiedererkennen. Für eine konsequent anständige Haltung gibt es durchaus einen wohl vertretbaren gedanklichen wie bewusst wählbaren Boden und der laviert nicht, auch nicht bei eigenem Nachteil.


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