03.11.18

Selbstdarstellung als "Coach" - man muss sich das schon genau anschauen.

Einleitend: Der Beitrag ist ein  Facebook-Beitrag, den ich aufgrund gemachter Beobachtungen in Facebook verfasste. Ich erlebe diese Selbstdarstellung noch bei LinkedIn, wo sie sich aber in quantitativer Hinsicht wesentlich bescheidener gibt. Und in XING ist davon noch weniger zu vernehmen. Es ist also nicht so, dass gleich überall Missstände herrschen. Zu betonen ist auch die grosse Zahl an Coaches, welche ganz und gar nicht in Internetmedien präsent ist, sich also zurückhält.


- bei Facebook verfasst, J. Jakob, 3.11.2018

Eine der übelsten Meta-Beobachtungen bei Facebook ist die massenhafte Selbstdarstellung von Dienstleisterinnen und Dienstleistern, Coaches, TrainerInnen, etc. WELCHE GERADE IRGENDWO VOR PUBLIKUM AUF DER BÜHNE STEHEN. Noch aufgeilender dann: TV-Kameras und ein Fernsehstudio.

Es scheint ein Bild zu sein, welches für Erfolg steht. Vielmehr aber empfinde ich dabei eine Selbstdarstellung, welche die Person auf der Bühne "zur Führerin / zum Führer" macht. DER oder DIE Ansager, Speaker, Tätschmeister, Zampanos, Coaches, etc. - wichtig möglichst: ein angetackertes Backen-Mikrofon und große, am liebsten drei davon, Leinwände im Rücken.

Ich verbinde mit dem Bild von Leuten der eigenen Gilde Schlimmes. Sehr Schlimmes. Die Selbstdarstellung in den Beiträgen trieft von "Führerschaft". Dabei sitzen wirklich gute Coaches im Publikum, reden Redner bei und mit den Leuten, statt vor denen. Die inhärente Perversion der Überzeugung, man sei wer, wenn man erhöht vor Publikum spreche, besteht nicht in fälschlichem Tun der vortragenden Person - man könnte das bis dahin irgendwie stehen lassen. Nein, das jeder Menschwerdung Ferne oder sich Widersetzende ist das aufs Neue bediente und/oder sich bedienen lassende Publikum. Es FOLGT.

Warum Publikum folgt, kann vielfach sein. Es hat sich frei entschieden, zu folgen. Oder ist einem Werberuf gefolgt. Oder gar anderen Gästen. Es dackelte dahin, um zu konsumieren, sich distanziert und anonym zu halten, versteckt und hinter vielerlei Masken. Fassaden über all dem, was man selber unvermögend nicht hervorzuzeigen vermag. Aus einem Gefühl des Ungenügens (und dabei sind die meisten Menschen durchaus gänzlich in der Lage, zu genügen), ergibt man sich FOLGEND der oder dem RednerIn, welche/r von irgendwas mehr Bescheid wissen soll. Ok.

Was aber bei Selbstdarstellungen als Speakerin und Speaker, als Meisterin und Meister, als Coach IMMER mit von der Partie der Darstellung ist: DIE DA FOLGEN MIR. Man zeigt Abhängige, man führt seine Herde vor, je grösser, desto stolzer. Das ist bei einer/m KünstlerIn, Musikern, Theaterleuten, etc. ganz anders, da die Kunst frei bleibt. Aber bei Wissen, Lehren, Theorien, Methoden, Inhalten oder gar Politik verhält sich das anders. Es entsteht aus einem Vorsprung, einem Mehrwissen, einem Bessersein sofort eine Art Top-->Down des Wissenden gegenüber den vermeintlich Unwissenden. Es vollzieht sich noch vor Beginn der Rede die Subordination - das ALLERLETZE, was in einem sauberen Coachingprozess hervortreten sollte.

Und das sollte mE nicht zu sehr als Selbstdarstellung hervorgekehrt werden. Besonders nicht von Coaches, die damit jeden vertrauensvollen Grundsatz der "Hilfe zur Selbsthilfe" verraten.


Privates Foto von Jona Jakob / iPhone, 2016


Man könnte, so betrachtet auch dem Publikum einen Vorwurf machen, aber es stellt sich seltener "so" dar, stolz darauf, als Teilnehmende wo dabei zu sein (ok, das gibt es auch).

Ein Coach sitzt hinter, unter, bei seinen Leuten, die er auf die Bühne stellt. Er lässt sie reden, zeigen, vorzeigen und auch alle Fragen stellen, die zum Thema zu fragen sind. Und er lässt die Menschen / die Gruppe versuchen, die Fragen und Reflexionen zu beantworten. Sich selber hervortun ist nicht. Es müssten also Fotos als Dokumentation entstehen, welche jene darstellen, die in ihrem Prozess sind, dort oben im Scheinwerferlicht und auf der Bühne. Und Applaus, auch so ein betörendes Gift, sollte bestenfalls für die eigens errungene Erkenntnis und Zielerreichung erschallen, und zwar möglichst von jenen, die das Erreichte dann anerkennen. Das wären dann allenfalls Menschen, die gerade nicht im Saal sitzen, wie z.B. Beziehungspartner, Teammitglieder, ja sogar KundInnen, Mitarbeitende, etc.).

Ganz blöd dann, wenn man als FB-User den Eindruck gewinnt, eine Gruppe von Coaches würde gerade nicht selber merken, bei was für eine Spirale an Übertreffungen sie teilnehmen, immer einen Tacken mehr drauflegend, was man alles und schon gleich wieder "FÜR | WEN | WIEDER | MEISTERN" durfte. Das macht nicht nur die daran Teilnehmenden bis zur Peinlichkeit fragwürdig, nein, das VERRÄT jeden hehren Gedanken an das, was Coaching ist und an sich bleibend wäre.

Coaching ist eine gute Sache. Eine sehr gute Sache. Doch wenn sie von Speakern, Managern, Leiterinnen und Leiter, TrainerInnen ausgenutzt wird, um Reden, Auftritte, Management, Leadership, Zielzwänge, Optimierungen und sonst verführerische Handlungen vom Prinzip FÜHREN FÜR FOLGENDE, missbraucht wird, verrät man mit der Methode und Haltung des Coachings jedes und alles, was ALS Coaching benannt wird.

Dann muss man sich nicht wundern, als Rattenfänger interpretiert und distanziert gehalten zu werden.

Und man sollte sich mE damit ganz und gar nicht hervorkehren.

Jona Jakob
Senior Coach, Aschaffenburg


www.humanness-coaching.de
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